“PowerPoint Is Evil” stellte Yale-Professor Edward Tufte bereits 2003 fest. Die These ist damit nicht neu und das Geschimpfe auf Powerpoint wohl kaum en vogue. Und dennoch sollte man es sich immer weider vergegenwärtigen – spätestens, wenn man von einer Flut von Folien (Wie übersetzt man “slides” ins Deutsche?) überwältigt wird und nach jedem Seitenwechsel das Gefühl hat, einen Kaugummi zu kauen, der seinen Geschmack längst verloren hat.
Edward Tufte – PowerPoint Is Evil
Tufte argumentiert, dass der Redner durch den Einsatz der üblichen Aufzählungen mit Punkten (bullets) einen ungerechtfertigten Machtakt gegenüber dem Zuhörer ausübt. Zugleich werde (an Schulen und Universitäten) die künstliche Verknappung von Sprache und Denkstrukturen geübt, um Informationshappen passend auf Folien zuzuschneiden. Der technische Rahmen – die Projektion von Text auf die Wand – gibt hier bereits den Rahmen für Formulierung und die Komplexität von Inhalt vor. Die Folge ist die notwendige Vereinfachung der Argumentation. Gleichzeitig fällt es zunehmend schwerer, einem komplexen Vortrag zu folgen: Die Aufteilung von Argumenten auf mehrere Folien verhindert deren zeitnahe Synthese durch den Zuhörer. Zuletzt verleitet die grafische Aufbereitung von Tabellen in Diagramme zu einer inhaltslosen Gestaltung, die überdies jegliche Interpretation konterkariert. Langweiliger Inhalt, so Tufte, wird auch durch neuen Anstrich nicht interessant. Dabei könne eine gute Präsentation durchaus einen Vortrag unterstützen.
Josef Joffe: An die Wand geworfen
Soviel zur amerikanischen Argumentation. Erst vor kurzen hat Josef Joffe in “Die Zeit” das Thema noch einmal aufgegriffen und eher europäisch beleuchtet. In “An die Wand geworfen” weist Joffe darauf hin, dass die Sprache als Träger des Geistes nicht durch eine zunehmende Anglisierung bedroht sei (eine sicher diskussionswürdige Behauptung), sondern vielmehr durch eine Verengung des Intellekts zur Produktion von PowerPoint-Folien. Am Anfang steht dabei also wieder die Knappheit. Die Ökonomisierung des Wortes in einer Folie trage nicht zur effizienten Präsentation von Argumenten bei. Mit Powerpoint zu schreiben heißt in diesem Sinne, Allgemeinplätze zu produzieren, “generische Sätze, die zu allem passen und nichts sagen“. Was Joffe meint, aber nicht direkt sagt: PowerPoint ist Text ist kein Text. PowerPoint-Folien projizieren zwar Text, aber nicht Sinne der Text-Metapher. Text ist in dieser Hinsicht etymologisch ein Gewebe von Gedanken, nicht nur lineare Aneinanderreihung von Worten. Die Enttäuschung könnte damit größer nicht sein – was Text ist, stellt sich als Akkumulation von zusammenhanglosen Belanglosigkeiten dar.
Eine durchaus lustige Präsentation der Präsentation ist die von Joffe als Powerpoint-Präsentation umgesetzte Gefangenenrede von Perikles. Die sicher tendenziöse Umsetzung soll die zwangsläufige Vereinfachung ins Belanglose verdeutlichen. Man kommt nicht umhin, an dieser Stelle eine gewisse “Entmystifizierung” der Rede zu spüren und dem Autor durchaus Recht zu geben.
Nichtzuletzt das Eingeständnis, immerhin ein Mal einen perfekten Vortrag mit einer perfekten Präsentation gesehen zu haben: Lawrence Lessig, Professor in Stanford und Autor des Buches “Code” lieferte auf dem Chaos Communication Congress 2006 ein beispiellos perfektes Zusammenspiel von Rede und Projektion ab. Doch verzichtet er an dieser Stelle auf “bullet lists” und etliche Zusammenfassungen und nutzte PowerPoint als eben das, was es ist: Projektor für Worte, Bilder und Videos, die die Rede unterstützen. Einen völlig unzureichenden Eindruck kann man sich mit einer Aufzeichnung des Vortrags verschaffen.
p.s.: Edward R. Tufte hat ein Buch zum Thema veröffentlicht: The Cognitive Style of Power Point
p.p.s.: Es ist politisch durchaus inkorrekt, nur von “Powerpoint” zu reden. Tufte benutzt die gelungene englische Bezeichung “slideware”, ins Deutsche wohl als “Präsentationsprogramme” übertragbar und wird damit der Tatsache gerecht, dass es dutzende Alternativen gibt.
Der Vortragende gewinnt mit seinen Impress- oder PowerPoint-Folien eine gfewisse Macht über die Zuhörerschaft. Deshalb lieben Manager PowerPoint so.