Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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Warum man denn Frühstücksfotos ins Netz stellt, fragte sie mich

20. Juli 2015 by leitmedium

Die @fraumierau hat vor einiger Zeit den Begriff “Online-Eltern-Clan” geprägt, um das digitale Zusammenleben von Eltern zu umschreiben. Am Wochenende hatte ich ein Gespräch, das mir zeigte, wie gut sich das Konzept abstrakter fassen lässt … anhand von Frühstücksfotos.

Es ist Samstag Mittag. Ich sitze mit lauter fremden Menschen an einem langen Tisch. Wir essen Brötchen, die wir gerade in einem Backkurs gebacken haben und fachsimpeln über Krumen, Schwaden und Sauerteig. Mir gegenüber sitzt eine ältere Frau aus Bayern, geschätzt zwischen 50 und 60.  Sie ist eine der unscheinbaren TeilnehmerInnen, ruhig. Plötzlich sieht sie mir in die Augen und spricht mich das erste Mal an:

Sie: “Du, kann ich Dich etwas Persönliches fragen?”
Ich: »Klar.« (gespannt, was nun kommt)
Sie: »Du hast erzählt, dass Du Fotos von Deinem Frühstück ins Internet stellst. Warum … warum macht man sowas?«
Ich: »Da gibt es zunächst eine Verwechslung. Viele Menschen denken bei “ins Internet stellen” noch an das Veröffentlichen im Sinne von Publizieren, wie wir es von der Presse kennen. Das Teilen von Inhalten in sozialen Medien, Blogs und so weiter funktioniert aber anders. Es ist eher das Mitteilen in einer größeren Runde. «
Sie: »Ok.«
Ich: »Wichtiger ist aber ein anderer Punkt: Unsere Gesellschaft verändert sich. Zurzeit ist sie geprägt davon, dass sich traditionelle soziale Lebensformen auflösen: Menschen ziehen zwischen Bezirken, Städten und Ländern hin und her. Es gibt die Großfamilie nicht mehr als Bezugspunkt. Das ist nur eine Feststellung, kein Hinterher-Trauern. Viel Wissen, das früher im Alltag weitergegeben wurde, kann heute so nicht weitergegeben werden. Das ist auch einer Grund, warum wir in diesem Backkurs sitzen. Wenn es natürlich auch schon Backkurse vor dem Internet gab.«
Sie: nickt
Ich: »Dieses Alltagswissen wird nun auf anderen Wegen weitergegeben. Zum Beispiel, wenn ich Frühstücksfotos ins Netz stelle. Ich werde immer wieder angeschrieben von Menschen, die mir ihre Frühstücks- und Backfotos schicken, weil sie plötzlich Lust und Inspiration bekommen haben für eigene Versuche.«
Sie: »Es ist also ein Weg aus der modernen Einsamkeit?«
Ich: »So würde ich das nicht nennen. Es klingt zu negativ. Es ist eher eine logische Folge auf neue soziale Gefüge. Zusammenleben verlagert sich in veränderter Form ins Netz. Es ist nicht unnormal, dort Frühstücksfotos oder anderes “Belangloses” zu veröffentlichen. Es ist Teil des Lebens und damit Teil von Kommunikation. Es gibt immer Menschen, die sich über solch Alltägliches freuen und daraus wieder ihr eigenes Projekt machen. Es macht Spaß.”

Ich zeigte ihr einige Frühstücksfotos. Sie fand sie inhaltlich nicht interessant. Aber die Vogelperspektive auf einen Frühstückstisch hatte sie noch nie gesehen. Sie holte ihr Smartphone raus und begann damit zu experimentieren, den Tisch von oben zu fotografieren. Dafür zeigte sie mir, wie man Mehl unter einen Teig schiebt. Wir hatten uns verstanden.

 

 

  • Kinderfotos im Netz? Ja, bitte.
  • Väter sind auch nur Eltern
  • 12 von 12 im März 2016

Filed Under: Allgemein

Comments

  1. Mela Eckenfels says

    20. Juli 2015 at 11:26

    @leitmedium wegen des Neids, ganz offensichtlich.

  2. The Rese says

    20. Juli 2015 at 12:01

    Ich frage mich eigen immer, wie der Tisch nach dem Frühstück aussieht, ob da auch das blanke Chaos herrscht, so wie bei uns 🙂

    • leitmedium says

      20. Juli 2015 at 13:31

      Ich habe irgendwann mal ein Nachher-Bild gepostet: Es sieht natürlich wüst aus 🙂

  3. Johann says

    20. Juli 2015 at 12:02

    @leitmedium schöner artikel.

Trackbacks

  1. Mela Eckenfels sagt:
    21. Juli 2015 um 6:32

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    The Worst Charities in a Nation of Givers | FAMEWHORGAS

    Concerning Autism Speaks (the nation’s largest autism advocacy organization), which the Lauritas promoted on RHONJ in conjunction with blk., employee compensation for the charity in 2008 accounted for more than a quarter of its income, according to its tax filing. In 2008, Autism Speaks took in more than $69 million (over $20 million more than it did the previous year) and provided about $28 million in grants, or 41% of revenue. The organization’s chief science officer, Geri Dawson, received $669,751 in total compensation, including $269,721 in relocation expenses to move her family from Washington to North Carolina. Dawson’s base salary was $373,360, more than any of the organization’s 257 other employees, including Autism Speaks’ president, Mark Roithmayr.
     
    Cindy Waeltermann, founder and director of both Autism Link and the Autism Center of Pittsburgh, wrote a letter in November 2009, Autism Speaks. It’s a Living (excerpt below), to express her disgust with the organization after Autism Speaks’ posted on their website that they would be “postponing” grantmaking for 2009 due to the current economic crisis”:

    Autism Speaks recently announced on their website that due to the poor economy they have to “postpone” grant making and giving for 2009. Yes, this charity that hauled in a reported $68 million in funds last year has fallen on hard times. Sad, really, on the surface. But dig deeper. I ask you to consider the following information, taken straight from this organization’s IRS 990 form on their own website:
     
    Geraldine Dawson, Chief Science Officer – Salary: $669,751 Mark Roithmayer, President – Salary: $400,413 Peter Bell, Executive Vice President – Salary: $265,981 Glenn Tringali, Executive Vice President – Salary: $255,256 Alison Tepper Singer, Executive Vice President – Salary: $201,942 Amount Spent on Travel: $2,873,667 Credit Card and Banking Fees: $989,344 Premiums: $1,452,807 Management Fees: $2,038,024 Advertising and Promotion: $2,108,778 Temporary Help: $718,686 Income: $65,826,829 GRANTS PAID OUT: $27,593,390
     
    Now I ask you, does this look like an organization that is suffering? It looks, to me, to be an organization that cares more about highly paid salaries, posh offices on #2 Park Avenue in New York, pricey fundraisers, and getting its name in the newspaper. They seem to exist solely to pay salaries and throw parties.
     
    But hey, they’ve fallen on hard times. So can someone please tell me why the first thing to go is the grant making and giving — the one thing that they claim as their #1 mission? To give grants to find a cure for autism? And don’t they seem a little top heavy to you? A $700,000 salary?? Four Executive Vice Presidents?
     
    Click here to read the full letter.

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    NASA Captures „EPIC“ Earth Image NASA Captures „EPIC“ Earth Image July 20, 2015 A NASA camera on the Deep Space Climate Observatory satellite has returned its first view of the entire sunlit side of Earth from one million miles away. via Facebook  
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