Reste, Müll, Abfall sagen viel über unsere Gesellschaft aus. Ich erinnere mich an ein traumhaftes Seminar zum Thema “Im Übrigen. Zur kulturellen Funktion von Rest und Abfall” bei Markus Krajewski, das mir damals sprichwörtlich die Augen öffnete, für das, was übrig bleibt.
Etwas, das übrig bleibt, ist Elektro-Schrott, der auf der Straße landet. Seit Jahren habe ich einen gewissen Fetisch für rumstehende Fernsehgeräte, Computer und Drucker. Wenn ich Zeit habe, fotografiere ich sie.
Dabei entwickelt man über die Zeit ein gewisses Gespür für zeitgenössische Entwicklungen. Es gab eine Phase, in denen besonders Röhren-Computer-Bildschirme auf der Straße landeten und eine Phase, in der besonders viele TV-Röhrengeräte auf die Straße verfrachtet wurden. Fast immer stehen sie geöffnet rum, da Sammler die wertvollen Kupferspulen entfernen. Auch Laser- und Tintenstrahldrucker haben ihre Zeiten, wie auch große PC-Gehäuse.
Nun ist endlich passiert, worauf ich schon lange gewartet habe: Ich habe den ersten großen TV-Flatscreen ausrangiert auf der Straße stehen sehen.
Ich habe mich schon gefragt, wann auch diese Technik-Generation ein Alter erreicht, in dem die ersten Modelle wieder aus den Haushalten wandern. Wer weiß, was die Geschichte zu diesem Gerät ist. Vielleicht war es einfach kaputt, wurde gebrickt oder wurde durch etwas Besseres ersetzt und galt als nicht mehr verkaufswürdig (was kaum vorstellbar ist). Es war zumindest ein ungewohnter Anblick, so einen großen Flachbildschirm auf der Straße stehen zu sehen. Auf jeden Fall nicht normal im Gegensatz zum Stadtbild “Röhrenmonitor”.
Ich fand es interessant, dass auch dieses Gerät geöffnet wurde. Gibt es in Flachbildschirmen auch wertvolle Kupferspulen (ich denke eher nicht) oder andere wertvolle Bauteile, die einfach entfernt und zu Geld gemacht werden können?
p.s.: Habt Ihr schon große TV-Flachbildschirme auf der Straße rumstehen sehen?
Hätte da noch einen 42-Zoller in der Garage und würde ihn für Dich auf die Straße stellen. 🙂
Erklärungsversucht. Der LCD-TV hatte Neon-Röhren als Beleuchtung und 200 Watt Leistungsaufnahme. Wurde warm wie ein Backofen, bis sich die Elektronik nach >5 Jahren verabschiedete.
Ersetzt durch ein gleichgroßes Gerät mit halbem Gewicht, halber Dicke und LED-Backlight. Ca. 50 Watt, kaum Wärmeentwicklung und smarter als mancher Mitmensch. Zum Preis von irgend etwas bei 450 Euro. Der Dritten Welt sei gedankt für die Rohstoffe, das Lohndumping und die günstigen Zoll- und Handelsabkommen.
Vielleicht sollte man solche Geräte wirklich einfach auf die Straße kippen. Damit wir schnallen, wie krank dieser Hightech-Konsum ist. Jetzt steht er in der Garage, wird in einigen Monaten ordentlich entsorgt (reines Gewissen meinerseits) und landet noch ein paar Monate später auf afrikanischen Müllhalden, wo ihn barfüßige Kinder am Lagerfeuer einschmelzen. Seltene Erden.
Seltsamer Begriff überhaupt, “seltene Erden”. Die seltenste Erde richten wir gerade zugrunde. Nur 1/3 der Sachen, die wir in den Gelben Sack entsorgen, wird wiederverwertet. Greenwashing unserer Konsumexistenz.
Mach doch dazu mal wieder einen Beitrag oder Interview. Würde mich sehr interessieren…
Ich bin da auch hin- und hergerissen. Natürlich ist das Abstellen von Elektroschrott auf der Straße nicht zu unterstützen. Aber die Sichtbarmachung von eben diesem Schrott finde ich prinzipiell auch gut.