Erstaunlich enthusiastisch äußert sich Ralf Grötker im Telepolis-Artikel “Alles verzettelt!” über die Browser-Erweiterung “Zotero“. Dabei ist ihm Grunde auch erst einmal Recht zu geben: Zotero ist – gerade als Erweiterung im Browser – eine sehr nützliche Software im Umgang mit Quellen. Mit wenigen Klicks ist es möglich, Webseiten als zitierbare Quellen mit Zeitstempel zu sichern, sowie generell Quellen wie Bücher, Artikel und Notizen zu verwalten und diese während des Schreibens von Texten in Microsoft Word oder OpenOffice direkt als Quellangaben einzubinden.
Dies ist mit Sicherheit ein weiterer wichtiger Schritt in eine leistungsstarke und komplett freie Umgebung für (angehende) Akademiker. War es bis vor kurzem noch selbstverständlich mit Standards wie Windows, Microsoft Office und Endnote zu arbeiten, zeigen hier mehr und mehr kommerzielle und insbesondere freie Alternativen ein breites Sprektrum an Auswahlmöglichkeiten auf.
Der Enthusiasmus bezüglich Zotero ist aber weniger einer über das, was ist, als vielmehr über das, was vielleicht wird: Zotero, entwickelt vom Zentrum für Geschichte und Neue Medien George Mason University, soll zukünftig zunehmend auf soziale Komponenten bauen. Gemeint ist hiermit insbesondere die kollektive Verschlagwortung von Online-Ressourcen im Sinne von Delicious oder Connotea, wie auch die darauf aufbauend mögliche Korrelations-Berechnung von Quellen. “Vorläufiger Höhepunkt einer jahrhunderte alten Kulturtechnik” der Karteikarte sei dies, so fasst es Grötker zusammen.
Dabei scheint in Vergessenheit zu geraten, dass Universalprojekte seit Jahrhunderten sich an umfassenden Nachschlagewerken versuchen. Die Idee ist nicht neu – nichtzuletzt seien die etliche Bände umfassenden Enzyklopädien genannt. Das Problem einer solchen jedoch ist nicht unbedingt das Fehlen von Inhalten oder eine nicht ausreichende Aktualität, sondern vielmehr eine häufig zu hohe Informationsdichte, die letztlich eher dem Sammelinstinkt Rechnung trägt, Bibliothekars-Herzen höher schlagen lasst, im Grunde aber immer nur auf das Sammeln des nächsten Objektes verweist.
Schlage ich beispielsweise bei Delicous unter “Medienkultur” nach, erhalte ich 293 Treffer – eine gerade noch zu bewältigende Menge ob des speziellen Begriffes. Und dennoch scheint die Bandbreite dessen, was die verschiedenen Nutzer unter diesem Begriff verstehen und verschlagworten derart weit gefächert zu sein, dass (zumindest) ich nicht auf die Idee käme, hier ernsthaft nach nicht-technischen Quellen zu suchen. Stattdessen greife ich gleich auf Volltextrecherchen (Suchmaschinen) zurück.
Das soll nicht Fortschritts-ablehnend klingen: Geteilte Informationsablagen haben durchaus Vorteile. Jedoch ist ein grenzenlos offenes System der Verschlagwortung – das nicht einmal wie Wikipedia sich durch kontinuierliches Editieren nur einer Fassung als Kompromiss zwangsläufig nähern muss – vor allem eines: grenzenlos. Allein Begriffe wie “Medien”, “Diskurs”, “Dispositiv” sind in einzelnen Disziplinen teilweise sehr genau definiert, als Schlagworte in einem übergreifenden System jedoch scheitern sie schnell am Fehlen eines Kontextes.
Und so ist die vielversprechendste anstehende Neuerung in Zotero eher “Zotero Commons“, ein zentrales, freies Ablagesystem im Rahmen des “Internet Archive”, dass digitale Quellen zu einem bestimmten Zeitpunkt konserviert und somit für eine wissenschaftliche Zitationsweise zugänglich macht. Ob sich dadurch wissenschaftliche Vorbehalte gegen nicht “reviewte” Quellen aus dem Internet aus dem Weg räumen lassen, ist fraglich, immerhin aber könnte ein Weg für ein einheitlicheres und vor allem nachvollziehbares Zitationssystem für Online-Quellen geschaffen werden.
Ob der vorläufige Höhepunkt der Karteikarte, über die Markus Krajewski übrigens das hervorragende Buch “Zettelwirtschaft: Die Geburt der Kartei aus dem Geiste der Bibliothek