Gestern war ich im Berliner Museum für Kommunikation, um an einer Führung zur Rohrpost teilzunehmen. Anlass war das 140jährige Gründungs-Jubiläum der öffentlichen Berliner Rohrpostanlage, denn am 1.12.1876 wurde die Anlage in Betrieb genommen. Ich habe ja so ein bisschen einen Fetisch für Rohrpostanlagen. In einigen Läden und Krankenhäusern sieht man sie heute noch in Betrieb. So alt sie auch wirken, sie waren und sind eine ziemlich praktische Sache (wenn sie denn funktionieren) und ein spannendes Stück Technologie. Ich habe mich jedenfalls gefreut, dass man im Museum die Reste der ehemaligen Anlage im Keller besichtigen konnte – dieser Bereich ist normalerweise gesperrt. Um es nicht zu vergessen: Das Museum selbst ist ein eigenes Thema, da es bereits 1872 gegründet wurde.
Ich habe bei der Führung ein paar Notizen und Fotos gemacht und teile diese hier weitgehend unaufbereitet. Das Folgende ist also keine fundierte Arbeit, nicht toll geschrieben und Fakten müssen gegengecheckt werden. Es gibt aber einen guten Einblick in das Thema Rohrpost und ich vergesse meinen Besuch nicht:
Die ersten (postalischen) Rohrpostanlagen
Die erste postalische Rohrpost wurde bereits 1853 in London in Betrieb genommen. Dort hatte man schon vorher versucht, Personen und Güter durch Rohre mit Luftdruck zu befördern. Man erkannte, dass nur der Transport kleiner Kapseln gut funktionierte. In Wien wurde 1875 eine Rohrpostanlage in Betrieb genommen, in Berlin am 1. Dezember 1876.
Warum benötigte man die Rohrpost?
Bei neuen Medientechnologien stellt sich immer die Frage, welches Problem sie eigentlich lösen. Warum musste man schnell kleine Kapseln durch die Stadt schicken? Ein größeres Problem stellte die „letzte Meile“ nach der Telegraphie dar. Es war mittlerweile möglich in kurzer Zeit Telegramme über Leitungen weltweit durchgeben zu lassen. Diese mussten in den Städten dann aber weiterverteilt werden. So konnte ein Telegramm in einer Stunde um die Welt gehen, die Lieferung zum Adressaten noch mal gut einen Tag dauern – sei es durch einen Briefträger vor Ort oder durch das Umladen auf eine Bahn.
Auf dem folgenden Gemälde, dessen UrheberIn, Titel oder Jahr ich natürlich nicht gefunden habe, sieht man einen Telegraphie-Saal (über 100 Telegraphen) und rechts eine Rohrpostanlage, die die Symbiose Telegraphie-Rohrpost gut zeigt:
Die Rohrpost war nicht nur als Erweiterung der Telegraphie nützlich. Sie bot die Möglichkeit, schnell Briefe aufzugeben (gegen Aufpreis) und auch kleine Waren wie Geld zu verschicken.
Vorführ-Rohrpost – damals und heute
Im Museum gibt es eine kleine Rohrpostanlage mit der man rumspielen kann. Allein für dieses „Fump“-Geräusch lohnt es sich, hinzugehen. Da fällt mir ein, dass ich immernoch nicht weiß, ob Rohrpostanlagen eigentlichen mit Druck oder Unterdruck arbeiten.
Ein besonders schönes Exponat wurde anlässlich des Jubiläums rausgeholt: Die Demonstrations-Rohrpost, die zur Eröffnung 1876 als verkleinerte aber funktionierende Version aufgestellt wurde. Schöner Vergleich zweier Rohrpostsysteme damals und heute:
Rohrpost-Rohre:
Auch heute noch werden Rohrpost-Rohre bei Straßenarbeiten gefunden. Das ehemals 255km lange Netz zog sich durch ganz Berlin. Die Rohre wurden oft in 1 bis 1.5m Tiefe verlegt. An einer Brücke an der Friedrichstraße gab es wohl ein Rohr, das deutlich hörbar an der Brücke überirdisch verlegt worden war. Die Rohre zeigen auch, warum es immer wieder Störungen gab. In Großstädten werden Infrastrukturen ja traditionell gern vergessen. Sobald eine Spitzhacke ein Rohr traf, war dieser Strang für ein Luftdruck-betriebenes System nicht mehr geeignet. Schnelles Schweißen war keine Lösung – der entsprechende Abschnitt musste getauscht werden.
Die letzten Anlagen
Diese Anlagen waren wohl bis in die 1970er Jahre in Betrieb. Man musste sie aufklappen, um die Rohrpost zu entnehmen. Interessant ist die Ost-West-Geschichte. Durch den zweiten Weltkrieg wurden viele Poststationen in Berlin zerstört. In Ost-Berlin befanden sich jedoch die wichtigen Stationen, weswegen der Neu-Aufbau hier recht zügig voranging. In beiden Teilen der Stadt gab es nach dem Krieg wieder große Systeme. In der DDR wurden vor allem ältere Anlagen wiederverwertet.
Zu den jeweiligen Enden der Weltkriege hin waren die Peaks der Rohrpostsysteme mit bis zu 27 Millionen jährlich transportierten Sendungen. In den 1940er Jahren betrug die Länge der Anlage über 250km.
XXL-Rohrpost
Da die kleinen Rohrpostkapseln nur wenig transportieren konnten, gab es Experimente mit deutlich größeren Systemen wie diesem hier aus Hamburg. Klingt in der Theorie gut, in der Praxis scheiterte es daran, dass deutlich größere Rohre verlegt werden müssen und diese viel anfälliger für Störungen sind. Schade.
Luftdruck-Erzeugung
Im Keller des Museums steht noch unverändert die Luftdruck-Anlage. Es sind zwei Elektromotoren aus den 1930er Jahren, die auf frei schwingenden Blöcken stehen, da sonst „das Haus wackelt“. Die Anlage zieht Außenluft durch ein Rohr an und verdichtet sie stark. Danach ist die Luft heiß und Ölhaltig. Durch ein wasserbasiertes Kühlungssystem wird die Luft auf 10-20°C runtergekühlt und zugleich gereinigt, da es wichtig ist, möglichst saubere, kalte Luft in der Rohrpost zu haben. Zu heiße Luft würde die Rohre verbiegen, Schmutz wurde die Rohre langsam zusetzen lassen.
Die seit ca. 40 Jahren nicht mehr betrieben Anlagen tropfen auch heute noch Öl. Das braun betropfte Papier ist wohl ein paar Tage (oder Wochen?) alt.
Stand der Forschung
Dass der Keller noch unverändert ist, liegt unter anderem daran, dass Teile der Rohrpost-Geschichte noch unerforscht sind. Gut ausgeleuchtet ist wohl der Beginn der Rohrpost, wie auch das Ende. Viele Jahrzehnte des Betriebs fehlenden jedoch noch auf der wissenschaftlichen Karte. Ehemalige Anlagen sind da natürlich ein gutes Studienobjekt. Es war interessant zu erfahren, dass dann im Museum auch mal der Hausmeister was aufschreibt und man gemeinsam in die Anlage sieht um rauszufinden, wie es eigentlich funktionierte. Trotz des Alters ist es also noch keine abgehangene Anlage.
Zusammenfassung
- Die erste postalische Rohrpost entstand in London.
- Wien und Berlin zogen nach. In Berlin wurde die Anlage am 1.12.1874 in Betrieb genommen.
- Die Berliner Anlage hatte zu ihrer Spitzenzeit in den 1940er Jahren mehr als 250km.
- Ein Grund für den Bedarf an der Rohrpost war die „letzte Meile“ nach der Telegraph.
- Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden in Ost und West eigene Rohrpostsysteme, die noch Jahrzehnte in Gebrauch waren.
- Heute gibt es kein großes postalisches System mehr. In Berlin unterhält die Charité ein mehrere km umfassendes Netz.
Du bist ein Rohrpost-Nerd, weißt es besser und ich habe etwas falsch notiert? Schreib es gern in die Kommentare.
Vertipper: Es muss heißen „140jährige Grundüngs-Jübilaum“.
du hast unterschlagen, dass die ausstellung leider nicht auf kinder ausgerichtet ist – warum auch immer
Bitte, bitte, was ich wirklich immer wissen wollte: Hast du ein Bild von einer Kapsel? Wüsste zu gern, wie die aussahen.
Danke. Sind bestimmt noch ein paar mehr drin. Heute früh vorm Frühstück schnell gehackt.
oh, ich glaube nicht. Die sahen so aus wie immer.
Das passt ja voll zu meiner Umfrage, die zu wenige beantworten und retweeten…! twitter.com/eigensinn83/st…
*hust+Hundeblick*
liest du etwas mein Blog?! Das ändert alles!
Naja – @fraumierau liest offensichtlich vor allem, was Du nicht schreibst, oder?
Hm, eben. Hab schon alte Anlagen gesehen und kenne die modernen Büchsen, hab aber noch nie eine alte Kapsel gesehen.
Im Museum waren ein paar, da bin ich mir recht sicher.
Büschen weit weg. Schade.
hier gibt es mehr infos https://events.ccc.de/congress/2015/wiki/Projects:Seidenstrasse und beim 33c3 haben wir auch wieder eine seidenstrasse … bist du auch dabei?
Wir haben noch eine bei uns in der Firma und spart uns viel Lauferei! Neue Mitarbeiter sind immer sehr irritiert, aber nach kurzer Zeit können sie auch nicht mehr ohne 😉
Vielen Dank für den schönen Text! Die Beschriftungstafel unter dem oben abgebildeten Ölgemälde wurde kürzlich für Malerarbeiten abgenommen und ist dabei zerbrochen. Bald wird dort (wieder) zu lesen sein, dass es sich um den großen Saal des Haupt-Telegrafenamts von Berlin handelt, der sich in der Französischen Straße befand. Das Haupttelegrafenamt Berlin gehörte zu den weltweit größten Telegrafenanstalten und war Mittelpunkt des in- und ausländischen Telegrammverkehrs im Deutschen Reich. Das Bild stammt von 1908, der Maler ist Otto Antoine (Öl auf Leinwand).
Viele Grüße aus dem Museum für Kommunikation Berlin!
i.A. Johannes Lindenlaub
ist der Link verrutscht? gibt eine 404-Meldung 🙁
Das passiert manchmal und ich habe noch immer keine Ahnung, warum. Bitte nochmal probieren