Großspurig wurde in den letzten Wochen das vor kurzem gestartete „kostenlose WLAN“ in Berlin angekündigt. Eine Kooperation der Stadt Berlin, der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) und Kabel Deutschland bringt das Internet in die Hauptstadt. Und damit teure Eulen nach Athen.
Beim Start des Projektes wurden 44 Hotspots in Betrieb genommen, um die 100 sollen es werden. Diese sind um touristische Anlaufstellen verteilt (z.B. Hackescher Markt, Gendarmenmarkt, Unter den Linden, Kastanienallee und Kollwitzplatz). Die Auswahl der Zugangspunkte zeigt: Es geht nicht wie angekündigt um Berliner und Berlin-Besucher, sondern nur um die Besucher. Das ist nicht verwerflich: Die Förderung des Tourismus ist aus Sicht der Stadt legitim. Es ist jedoch ein Kommunikationsproblem: Entweder ist es ein ernstgemeintes Angebot für Anwohner und Gäste, oder Wirtschafts-Förderung.
Die jetzt mit dem Berliner WLAN versorgten Orte weisen eine hohe Café- und Hotel-Dichte auf. Es sind die Gegenden, in denen man vom St. Oberholz ins nächste Café mit Netz stolpert und eher mit Problemen durch zu viele Funknetze zu kämpfen hat. Dass es zentrale Orte sind, steht außer Frage. Ob es die Berliner Gegenden sind, in denen ein kostenloser Netzzugang am meisten benötigt wird, ist mehr als fraglich.
Die tägliche Nutzungsdauer des Netzes auf 30 Minuten begrenzt. Für einen Touristen kann das hilfreich sein: Ein paar E-Mails abrufen, nach dem Weg sehen, ein Restaurant finden. Für den alltäglichen Gebrauch reichen 30 Minuten heute nicht einmal für die Zeit bis zum ersten Zähneputzen. Man geht nicht mehr ins Netz, man ist drin. In jedem Café um die Ecke bekommt man einen besseren Netzzugang. Doch man wiegelt schon ab und frohlockt, dass bald attraktive Verlängerungsangebote zum kleinen Preis folgen sollen. Die Stadt finanziert Kabel Deutschland eine profitable Infrastruktur. Warum eigentlich?
Markus Beckedahl, der über die MABB in das Projekt involviert ist, erklärt auf Netzpolitik.org die Hintergründe. Er kommt zum Schluss: „Eine Revolution ist das mit rund 100 geplanten Hotspots nicht, aber mehr öffentliche Zugänge mit Basis-Zugang sind trotzdem gut“. Dem sollte man nicht zustimmen. Nein, es ist nicht gut, unter falschem Vorwand eine einen Provider beim Aufbau eines letztlich doch kommerziellen Projekts zu unterstützen. Es ist eine fragwürdige Infrastruktur an fragwürdigen Orten. Und es ist ein problematischer Anbieter: Kabel Deutschland stand erst vor wenigen Wochen – auch auf Netzpolitik.org – am Pranger wegen seiner dubiosen Eingriffe in den Datenverkehr. Diesmal kein Wort davon.
Einen guten Punkt gibt es am Projekt: Es wird als Anlass genommen, das Problem der Störerhaftung zu diskutieren und politisch zu lösen. Störerhaftung ist der juristische Fallstrick, dass der Betreiber eines Netzzuganges für Nutzung durch Dritte haftbar gemacht werden kann. Es ist einer der Gründe, warum viele vor der Bereitstellung eines Netzzugangs zurückschrecken. Und da liegt Punkt: Gäbe es die Störerhaftung nicht, wäre es wahrscheinlicher, dass noch mehr freie Hotspots betrieben würden. So muss man sich die Frage stellen, ob hier nicht an falscher Stelle Zeit und Geld investiert wurde. Statt sich auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen zu fokussieren, setzt man noch ein Großprojekt um. Immerhin wird auch – im deutlich kleineren Rahmen – das seit Jahren aktive Berliner Freifunk-Projekt unterstützt. Schade, dass man hier keinen Weg einer sinnvollen Kooperation gefunden hat.
Wenn am Ende jeder machen kann, was er will (leichte Übertreibung) und eine Verfolgungslücke entsteht, weil da ein privater Hotspot zwischen Täter und Opfer hing, verzweifeln am Ende einige Politiker am Rechtsstaat.
Großprojekte sind hingegen das, was man in der deutschen Politik versteht: Es gibt klare Verantwortlichkeit, es gibt einen (mehr oder minder) verlässlichen Ansprechpartner, es gibt wen, der irgendwann (hoffentlich hierzulande) Steuern für das Projekt zahlt, und es gibt die Möglichkeit, dass das Projekt im Nachgang zur Aufstockung der eigenen Pension führt.
Das alles gibts bei Freifunk halt nicht.