Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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Verteilen von Wissen durch Technische Artefakte / Re: Eigentlich mag ich Hackerspaces

3. Juni 2012 by leitmedium

Der @herrurbach hat vor ein paar Tagen mit »Eigentlich mag ich Hackerspaces« die Debatte um die Zugänglichkeit von Hackerspaces angestoßen. Ich freue mich prinzipiell über jede Reflexion von Hacker- und Hackerspacekultur und schätze die kritische aber besonnene Art von @herrurbach. Dennoch kann ich mit der vorgebrachten Kritik nicht viel anfangen. Es gibt viele Punkte im Text, denen ich argumentativ nicht folgen kann und viele wurden bereits öffentlich disktutiert. Ich möchte daher an dieser Stelle nur eine Gegenthese vorstellen: Manche Gruppen brauchen Abgeschiedenheit, um Projekte zur Verteilung von Wissen durch technische Artefakte zu produzieren.

Kritisiert wird in @herrurbachs Text die Gefahr der Elitenbildung und Abschottung von Hackerspaces und Communities. Elitenbildung mag generell negativ klingen, zumal bereits das Wort »Elite« negativ konnotiert ist. Es handelt sich hierbei jedoch um eine Zuschreibung. Nennen wir es einmal nicht »Elitenbildung« sondern »Gruppenbildung«. Es ist richtig, dass in Hackerspaces Gruppen gebildet werden. Hackerspaces sind soziale und ökonomische Systeme, die sich durch eine Abgrenzung nach außen formieren. Sie ziehen räumliche Grenzen, schaffen Ressourcen an und unterscheiden in der Regel zwischen Mitgliedern nicht Nicht-Mitgliedern. Erst durch eine Unterscheidbarkeit von Inklusion und Exklusion ist die Existenz eines Hackerspaces möglich.

Es ist natürlich wünschenswert, Wissen, das in Hackerspaces geballt angesammelt wird, zu verbreiten. Jedoch sollte es kein Diktat geben, Wissen umgehend und jederzeit zu teilen. Im Gegenteil. Es gibt genügend Anlässe, zu denen sich Gruppen zusammenfinden, um konzentriert und zurückgezogen an Projekten zu arbeiten. Gemeinnützigkeit entsteht hier nicht einfach durch Wissenstransfer, sondern durch Hacken, Programmieren und letztendlich Veröffentlichen von Code, Dokumentation oder Halten von Vorträgen. Das Wissen wird hier nicht durch persönliche Betreuung, sondern durch produzierte Artefakte geteilt. Genau dies ist einer der Eckpfeiler von Hackerspaces. Und diese Projekte – vom Roboter-, über den E-Bike-Bau bis zum Kernel-Patchen – sind so komplex, dass sie zum Teil ruhige Strukturen benötigen. Hackerspaces funktionieren hier als Katalysator, nicht automatisch als jederzeit und für alle geöffneter Treffpunkt.

Man sollte das Sich-Abgrenzen von Gruppen nicht a priori verurteilen, nur weil es so einfach als Elitenbildung zu bezeichnen ist. Es gibt sicher Kritikpunkte und es ist wichtig, Wissen auch jenseits technischer Artefakte zu transportieren. Ich werde aber weiterhin Hacker unterstützen, die einen ruhigen Raum brauchen, in dem sie konzentriert an einem Projekt bzw. technischen Artefakt arbeiten. Andere Projekte wiederum, die ich genauso untersütze, können sich effizient auf die Vermittlung von Wissen fokussieren. Wenn beides zusammenspielt: schön. Wenn nicht, sollte man nicht der Versuchung erliegen, es zusammendiskutieren zu müssen.

Transparenz-p.s.: Ich bin Mitglied der c-base, war dort mehrere Jahre im Vorstand und habe insbesondere viele Veranstaltungen, Workshops und Seminare zu Freier Software organisiert und gehalten. Dieser Post gibt meine persönliche Meinung wieder.

 

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