Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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Widersprüchliches Interview mit Markus Reiter in der Zeit

20. März 2010 by leitmedium

Die ZEIT hat ein recht laues Interview mit Markus Reiter, ehemaliger stellvertretender Chefredakteur von Reader’s Digest Deutschland und von 2000 bis 2002 Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, gebracht, das eher wie das Abfragen einer Inhaltsangabe seines Buches “Dumm 3.0: Wie Twitter, Blogs und Networks unsere Kultur bedrohen” gewirkt. Dabei überrascht Reiter bereits in den ersten zwei Antworten mit einem eklatanten Widerspruch, der irgendwie den Rest des Interviews kaum noch lesenswert scheinen lässt:

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ZEIT ONLINE: Wer ist denn Ihrer Meinung nach Dumm 3.0?

Markus Reiter: Im Netz lässt sich schwierig herausfinden, wer dumm ist und wer nicht. Das ist ja genau das Problem. In der alten Welt der Medien gab es Gatekeeper, also zum Beispiel Journalisten, die versuchten, das Gute und das weniger Gute, das Richtige und das Falsche zu trennen. Und wenn es diese Institutionen eines Tages nicht mehr gibt, dann müssen Sie all das selber machen. Und vor dieser unglaublichen Menge an Informationen werden viele kapitulieren.

ZEIT ONLINE: Aber findet im Netz nicht vielmehr eine unglaubliche Demokratisierung statt?

Reiter: Ich glaube, dass das eine Täuschung ist. Letztlich werden sich im Netz jene soziodemografischen Eliten behaupten, die sich auch in der alten Welt behauptet haben. Also die Zahl der mit Relevanz bloggenden Münchner Taxifahrer mit Migrationshintergrund oder der bloggenden Kriegerwitwen ist beschränkt. Wenn Sie sich anschauen, wer im Netz relevante Kultur oder Information produziert, dann sind das Leute, die entweder in den alten Medien bereits Erfolg hatten, oder die in den alten Medien Erfolg gehabt hätten, wenn es das Internet nicht gegeben hätte.

Quelle: zeit.de

Das Netz, wie es ist, ist also schlecht, weil man nicht wisse, was gut sei – früher habe das  der Journalist vorgefiltert. Zugleich aber widerspricht Reiter Demokratisierungs-These mit der Behauptung, dass im Netz ja eben die Personen sich durchsetzen, die sich ohne das Netz auch durchgesetzt hätten. Letztendlich hieße das, dass die Filterfunktion des Journalisten nun mit dem selben Ergebnis ohne ihn wahrgenommen wird. Merkwürdig.

  • niiu-Nachklapp
  • Berliner Gazette erhält “Alternativen Medienpreis” 2010
  • Rezension – Markus Reiter “Dumm 3.0: Wie Twitter, Blogs und Networks unsere Kultur bedrohen”

Filed Under: Internet, Kritik, Medien

Comments

  1. Felix Bartels says

    24. März 2010 at 12:37

    Daß Kontrolle des Medienbetriebs seitens Journalisten irgendetwas wie eine Auslese nach qualitativen Gesichtspunkten darstellt, ist ja nun auch eher ein Märchen. Der digitale Medienbetrieb ist ein unorganisierter Unsinn. Der klassische Medienbetrieb ist ein organisierter Unsinn. Den Unsinn bekommt man nicht raus, weil Dummheit eine anthropologische Konstante ist. Wann immer und wo immer Menschen in größerer Zahl etwas unternehmen, ist auch der Unsinn mit an Bord und regiert – da die Zahl der Unbegabten die der Begabten übersteigt – die Unfähigkeit.

    Qualität setzt sich immer von selbst durch, ob der Betrieb nun organisiert ist oder nicht. Wobei auch hier wiederum klar ist, daß das Durchsetzen der Qualität nicht das Nichtdurchsetzen der Mangelhaftigkeit zur Folge hat.

  2. Stephan says

    30. März 2010 at 11:50

    Mir hat irgendwie der Anblick des Fotos von Markus Reiter schon gereicht, um den Rest des Interviews kaum noch lesenswert scheinen zu lassen 🙂