Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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Rezension: Generation Umhängetasche

2. August 2008 by leitmedium

Ein wachsender halber Meter muedes Laecheln durchdringt mein Buecherregal. Es ist jene Stellflaeche, auf der Buecher nach einem kurzem Akt der Enttaeuschung ein ungeliebtes Dasein fristen. Das letzte Buch, ein vermeintlicher Aufreger, drueckte mit einem Augenrollen die Kombattanten beiseite. Es war >>Wo bitte geht’s zu Gott? Fragte das kleine Ferkel<<, um das voellig unverstaendlich eine Zensurdebatte aufgebauscht wurde. Verbitterte Belanglosigkeiten, ueberzogene Klischees und verhaermte Intoleranz. Moege es in Ruhe ignoriert werden, verstauben, dort. Aufklaerung geht anders.

Seit dieser Woche schmiegt sich ein weisser Paperback an das kleine Ferkel. Es ist >>Wenn ich mal groß bin: Das Lebensabschnittsbuch für die Generation Umhängetasche<< – eine ins uferlose gelobte Enttaeuschung von der ersten bis zur letzten Seite, die auch bei eisernstem Willen ich lesend nie erreichen konnte. Im Englischen koennte man die Gattung treffend als >>rant<< bezeichnen: Ein >>rant<< also ueber die enttaeuschten Lebenserwartungen des schreibendes Subjekts, das nur zu gern duzend dem Leser Unreife attestieren moechte und dies an konsequenten Nebsaechlichkeiten festmacht, was eben jene Seichtigkeit von Buch und Autor manifestiert.

Natuerlich laesst sich vortrefflich laestern ueber die Latte-Macchiato-Generation, um der Generations-Begriff-Inflation weiter Vorschub zu leisten, aber ein ganzes Buch? Ein Thema ueberhaupt? Es wirkt so ungemein bitter, vom Leben enttaeuscht und schafft nie die elegante Kurve zur Ironie, dass man ihm wohlwollend versuchen koennte, eine gewisse postmoderne Melancholie zu unterstellen, aber davon Abstand nimmt, wenn man die Ankuendigung zur juengst stattgefundenen Buch-Party im Berghain mit DJ liest, einer Antithese zum Erwachsenenruf des Buchs. Also doch nur Worthülsen, aber immerhin: Die Umhaengetasche auf dem Cover passt farblich zum Ferkel. Das ist doch was.

Diese Rezension erschien zuerst in der Berliner Gazette.

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Filed Under: Kultur, Literatur, Medien, Moderne, Moral, Postmoderne, Rezension, Stadt, Urbanistik

Trackbacks

  1. Saras Sammelsurium » Blog Archive » “Wenn ich mal groß bin…” sagt:
    17. Dezember 2008 um 9:22

    […] und auch Vorabdrucke dazu gibt es genug: TAZ, leitmedium.de, […]