Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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Post-Studium: Die Ordnung der Texte

19. Mai 2008 by leitmedium

Mit Studienende beginnt das eigene Bücherregal zu einem Problem zu werden, das die Frage aufwirft: Verstauben oder Sortieren? Mehrere Meter Bücher und dutzende Aktenordner mit Kopien verlangen nach einer angemessenen Lösung, die nur darin bestehen kann, sie schlicht zu entsorgen, sie zum Bildungs-ausstrahlenden Mobiliar werden zu lassen oder sich ihrer ernsthaft anzunehmen. Zeichnet sich das Thema Dissertation und damit eine Fortsetzung des Studiums mit anderen bzw. gleichen Mitteln ab, ist nur letzte Variante annehmbar und man weiß: Nur ein Text, der sich nicht der Auffindbarkeit und damit Zitierbarkeit entzieht, ist überhaupt relevant für die eigene Arbeit. Wie viele “Da war so ein Text…” hat man im Kopf gehabt und spätestens mit der Lektüre eines eigenen Textes durch Dritte unfreundlich eben jene Mängelliste präsentiert bekommen, die ein mutiges Blättern im eigenen Papierwald hätte lindern können.

So sind die Aktenordner und Bücherstapel mehr als eine beliebige Anhäufung. Sie sind das Ergebnis einer Semesterzahl, für die man heute von Studenten ungläubig beäugt und Dozenten sehnsüchtig mit einem Schulterklopfen beglückwünscht wird. Die Bibliothek eines bekennenden Langzeitstudenten (immerhin fünfhundert Euro war dieser Titel wert), Eintritt frei, montags geschlossen. Sie kommt also 13 Semester zu spät, die Literaturverwaltung. Viel hat man darüber nachgedacht. Ob sie kostenlos sein solle oder doch kommerziell, für Windows oder Linux, mit oder ohne Anbindung an eine öffentliche Bibliotheksdatenbank. Die Entscheidung ist nun gefallen, lieber spät als nie, und in müßiger Hingabe werden Kopien und Bücher erfasst, verschlagwortet und mit kleinen Punkten beklebt, die eine Schneise des “geschafft”/”noch nicht” in das Regal schneiden. Der blaue Punkt als: Ja, Du existiert in meinem externalisierten Wissen. Ich komme auf Dich zurück.

Es wird dauern. Tage, Wochen. Das Herausnehmen, Ansehen, Erinnern, Nachschlagen, Abtippen, Abheften, Einsortieren, Bekleben, Korrigieren, Beiseitelegen, Weitermachen. Am Ende steht abermals eine Bibliothek, ein Projekt der Selbstorganisation, das vor einigen Jahren bereits hätte starten sollen, nun aber doch eine gewisse Zufriedenheit des Archives ausstrahlt, jedoch mit ewiger Unvollständigkeit glänzen wird.

Um der Frage vorzugreifen, welches Programm eingesetzt wird: Trotz der eindeutigen Bevorzugung freier Lösungen fiel die Entscheidung für “Synapsen” von Dr. Markus Krajewski, das sich als virtueller Zettelkasten konzeptionell deutlich von anderen Lösungen unterscheidet, da es weniger die technisch-ordnende, als vielmehr den Ursprung in der Ordnung der Karteikarten betont und mit seiner Java-Basis problemlos unter Linux, OS X und Windows läuft. Bericht folgt.

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