Das mit Abstand bekannteste Berliner Stadtmagazin ist die “Zitty”, eine mittlerweile dreißig Jahre alte Anlaufstelle, wenn es um das Berliner Stadtleben geht. Veranstaltungstipps jeglicher Art, in der Zitty findet man sie. Gleichauf der deutlich farbigere Konkurrent “Tip”, der spätestens die Käufer bedient, denen die Zitty vielleicht etwas zu alternativ daherkommt. Wettbewerber also und doch im selben Geschäft: Veröffentlichen von Veranstaltungsinformationen.
“Da geht doch was” mag sich da der Excell-geschulte BWL-Abschlüssler gedacht haben. Konvergenz schaffen, Kosten sparen, Gebühren verlangen. Das muss doch einfach klappen. Outsourcing heißt das Zauberwort. Das, was früher jede Redaktion für sich erledigt hat, soll nun von einem externen Dienstleister, der “Cine Marketing GmbH” übernommen werden:
Aber wird werden die Digitalisierung der Daten zukünftig nicht mehr in unseren eigenen Unternehmen vornehmen können, sondern diese Dienstleistung ab dem 1. Januar 2008 von der Cine Marketing GmbH erbringen lassen. Die Cine Marketing GmbH erfasst bereits seit vielen Jahren alle Kinoprogramme der Stadt.Die Digitalisierung und Aufbereitung in deren Datenbank wird leider nicht mehr völlig kostenlos möglich sein.Aber keine Sorge, wir haben mit der Cine Marketing GmbH so niedrige Beträge ausgehandelt, dass niemand benachteiligt wird und die Veröffentlichung auch für kleine Orte und Veranstalter weiter möglich sein wird.
Quelle: Anschreiben Zitty an Veranstaltungsorte vom November 2007
Das klingt nach Marketing-Blabla und ist es auch: Wir sparen jetzt durch Digitalisierung und Schaffung einer gemeinsamen Veranstaltungsdatenbank und verlangen gleichzeitig Gebühren, die aber niemanden benachteiligen sollen. Was an der Einführung von Gebühren für einen kostenlosen Dienst nicht nachteilig sein soll, lässt sich schwer sagen. Und in der Tat sind die 30 bis 400 Euro jährlich für manche Veranstaltungsorte, die über keine oder kaum Einnahmen verfügen – die Off-Szene ist in Berlin nach wie vor sehr stark – eine ernste Hürde, vor der man sich überlegt, ob man sie erklimmt, oder nicht. Gerade Hinweise auf alternative Veranstaltungen aber sind es, die ein Stadtmagazin vom Durchschnitt abheben, die es notwendig machen, sich eine Zitty, einen Tip zu kaufen, statt im Internet den nächstbesten Stadtführer aufzurufen.
Hinzu kommt ein völlig anachronistisches Verständnis von Redaktionsarbeit und Informationsverarbeitung. An einer gemeinsamen Datenbank ist sicher nichts auszusetzen. Eine finanzielle Einstiegshürde für die Beschaffung essentieller Daten zu schaffen hingegen ist völlig, wirklich völlig abwegig. Es ist schlicht falsch. Es entspräche einem Geschäftsmodell, nach dem Google für die Indizierung Geld verlangt. Tut uns Leid, aber wir Kosten mit den Servern und so. Ab fünf Euro pro Webseite. Wenns mal schnell gehen soll zehn.
All dem lässt sich völlig richtig entgegenhalten, dass redaktionelle Arbeit nunmal Kosten verursacht. Allerdings kann dieses Problem nicht auf die Zulieferer von Informationen abgewälzt werden. Ein Stadtmagazin lebt davon, umfassend zu informieren. Die Veranstaltungs-Informationen sind der essentielle Mehrwert des Magazin, der es von anderen Produkten unterscheidet. Trotz der Hinweise (auch) auf kommerzielle Veranstaltungen ist es kein Werbeblatt. Es ist eine Schnittstelle. Wenn Gelder fehlen, dürfen dieser unter keinen Umständen auf die Gefahr hin generiert werden, dass auch nur ein Veranstalter sich zukünftig aus finanziellen Gründen gegen eine Werbung Aufnahme in den Katalog entscheidet. Und eine Veröffentlichungsgarantie für die angeschlossenen Medien gibt es überdies auch nicht, wie das Rundschreiben klarstellt.
Die Entrüstung findet derzeit noch mehr oder weniger im Stillen statt. Per E-Mail besprechen die Veranstaltungsorte eine Verhaltensweise für die Zukunft. Stell Dir vor, man will Geld für die Aufnahme von Veranstaltungen haben und keiner teilt sie mehr mit.
Mehr zum Thema im umfassenden taz-Blog-Eintrag Tip & Zitty sourcen ihre Kernkompetenz aus.
Inzwischen geben schon die ersten Abonennten die Kündigung ihrer Abos bekannt!
Das ist doch mal wider eine Reform die von unser Bundesregierung abgeschaut ist.
Du zahlst mehr und bekommst weniger.
P R E S S E E R K L Ä R U N G
Widerstand gegen das Terminkartell von ZITTY und TIP!
Der Landesverband Soziokultur Berlin e.V. hat auf der Mitgliederversammlung am 14.12.2007 einstimmig beschlossen, die Verlage von ZITTY und TIP umgehend aufzufordern, die bestehende Praxis zur Erfassung und redaktionellen Bearbeitung der Veranstaltungsdaten im Kulturbereich wie bisher beizubehalten.
Wir verurteilen den Versuch auf das Schärfste, im Hauruck-Prinzip den Kulturveranstaltern Berlins ein Verfahren aufzuzwingen, das von Ihnen einen zusätzlichen Arbeitsaufwand oder Gebühren abverlangt. Zugleich verhilft dieses Verfahren ausgerechnet den marktbeherrschenden Stadtmagazinen einseitig zu Wettbewerbsvorteilen, da diese so erzeugte Veranstaltungsdatenbank im Eigentum der Cine Marketing GmbH liegt, somit für alle anderen Print-, Medien- und Onlinedienste kaum frei zugänglich sein dürfte.
Die ab Ende Januar 2008 geplante, zentrale Erfassung der Veranstaltungsdaten über eine Online-Eingabemaske bei der verlagseigenen Cine Marketing GmbH wird daher grundsätzlich abgelehnt, da der Vormachtstellung von ZITTY und TIP so einseitig Vorschub geleistet wird. Es ist nicht einzusehen, warum soziokulturelle Einrichtungen und Initiativen durch ihre Zu- und Vorarbeit in der Datenaufbereitung zu Kostenersparnissen der beiden großen Verlagshäuser beitragen sollen, zumal von anderen, kleineren Verlagen und Dienstleistern die übliche redaktionelle Bearbeitung auch weiterhin geleistet wird bzw. geleistet werden muss.
Unseren bisherigen Rückmeldungen zufolge, nach denen über 100 Berliner Einrichtungen und Initiativen der Soziokultur bereits im Vorfeld ihre Bereitschaft zur Unterstützung eines Boykottes erkennen liessen, sowie die Kenntnis ähnlicher Proteste aus anderen Kulturbereichen, sollte ZITTY und TIP dazu bewegen, unverzüglich ihre Planungen zum Outsourcing ihrer Kernkompetenzen einzustellen:
ZITTY und TIP scheinen völlig vergessen zu haben, dass ihre Existenz wesentlich darauf beruht, dass Kulturveranstalter ihre Termine bei Ihnen publizieren!
Ohne diese Veranstaltungsdaten sinkt der Informationswert dieser Stadtmagazine beträchtlich.
Aus Sicht der Landesverbandes Soziokultur Berlin e.V. ist es indes gut vorstellbar, eine mit allen Berliner Kulturveranstaltern, Verbänden und Netzwerken abgestimmte, zentrale Datenbank mit allen Veranstaltungsterminen zeitnah zu etablieren, um den modernen Informationsbedürfnissen einer Mediengesellschaft gerecht zu werden.
Diese muss aber für alle! frei zugänglich und nutzbar, mitbestimmt und transparent sein, wie dies zur Zeit z.B. die Stiftung Kulturserver gGmbH (www.kulturserver.de) anbietet, aus deren Datenbank die Presse bzw. Medien die Veranstaltungsinformationen der Berliner Bühnen bereits seit längerem abrufen.
Der Landesverband Soziokultur Berlin e.V. besteht seit etwa einem Jahr und ist noch in der Aufbauphase. Er ist entstanden aus regelmässigen Treffen der Kultureinrichtungen wie ACUD, Pfefferwerk, RAW-Tempel, Tacheles, Kulturfabrik Moabit, Brotfabrik, Förderband, Regenbogenfabrik, u.a.
V.i.S.P.
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Geschäftsstelle
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