Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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Sind acht Euro sechzehn Mark oder Alice und Bob sehen Beowulf in 3D oder in der Augsburger Puppenkiste

5. Dezember 2007 by leitmedium

Alice: Warst Du schon einmal im 3D-Kino?
Bob: Nein, warum?
Alice: “Beowulf” läuft da gerade. Soll der erste Film sein, der komplett in 3D zu sehen ist.
Bob: Ich glaube, das ist peinlich. Aber warum auch eigentlich nicht.

Zwei Tage später.

Alice: Irgendwie sitzt meine Brille nicht.
Bob: Meine Nase schwitzt jetzt schon. Ob die Brillen nach jeder Vorstellung gereinigt werden?
Alice: Das hättest Du nicht fragen sollen.
Bob: Hast Du gehört, die Brillen haben eine Diebstahlsicherung. Wie im Kaufhaus. Draußen mit so einem Pieper.
Alice: Was soll man mit so einer Brille zu Hause? Und warum ist dieses Kino eigentlich so eng?
Bob: Es geht los! [Pause] Irgendwie sehe ich alles verschw…
Alice: Das ist ja gar kein Spielfilm, sondern so ein Animationsding?!
Bob: Wie sieht das denn aus. Augsburger Puppenkiste?
Alice: Ich sehe alles doppelt.
Bob: Ich auch… Ah, Du musst den Kopf so gerade wie möglich halten – Polarisationsbrillen.
Alice: Trotzdem doppelt.
Bob: Ja. Ja. Du hast das Kino vorgeschlagen.
Alice: Ist das wirklich schon der Film? Sieht aus wie ein Vorfilm.
Bob: Oder wie Youtube. Nur doppelt. Verdammt, ist das manirierter* Mist.
Alice: Was hat der Eintritt gekostet?
Bob: Acht Euro zwanzig.
Alice: Das sind ja sechzehn Mark.
Bob: …
Alice: Ich weiß, Inflation. Bla. Trotzdem sechzehn Mark. Pro Person?
Bob: Natürlich.
Alice: Dafür kriegt man den Film auch gleich doppelt.
Bob: Mir wird langsam klar, warum es ein 3D-Kino in der Stadt gibt und niemand hingeht. War das Kino nicht eigentlich letztens offiziell geschlossen worden?
Alice: Selbst wenn der Film mal nicht verschwommen oder doppelt ist, sieht es irgendwie langweilig aus.
Bob: Aber dreidimensional langweilig. Die Actionszenen sind okay.
Alice: Warum zerreißt der die Menschen und schlägt danach mit ihnen auf den Boden? Ich weiß nicht.
Bob: Ja, was weiß ich.
Alice: Die Leute lachen ständig. Dabei ist es keine Komödie.
Bob: Besser, man hält es für feinsinnige Ironie, das macht es erträglicher. Sowohl Film als auch acht Euro zwanzig. Sechzehn Inflationsmark.
Alice: Wie lang geht der Film noch?
Bob: Anderthalb Stunden. Vielleicht.

Schweigen. Es wurden zwei. Im 3D-Kino, da gibt es eine Pause. Wie im Theater. Nur unscharf.

*Anmerkung des Verfassers: Liebe Rechtschreibkontrolle, vielen Dank für den Vorschlag “marinierter”. Auch das trifft es irgendwie.

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