Seit einigen Wochen redet Pro7 seinen poppigen jungen Zuschauern zwischen den üblichen amerikanischen Franchise-Serien mit kurzen Werbespots für den Klimaschutz im Rahmen der Aktion “Pro7 gibt Co2ntra” ins Gewissen. Löblich. Das Pro7-eigene Wissensformat “Galileo” begleitet diese Iniative mit häufigen und ausführlichen Berichten zum Klimaschutz, der in den eigenen vier Wänden beginnt: Alternative Heizmethoden, Stromspartechniken, usw. Ebenso löblich.
Nun ist Klimaschutz aber alles andere als sexy. Und was nicht sexy ist, bringt keine Aufmerksamkeit. Was keine Aufmerksamkeit bringt, senkt die Quote. Das ewige Dilemma. Sicher, eine Weile kann man auf der Verbraucherschiene fahren: Sparen Sie Energie, das schont die Umwelt UND Ihren Geldbeutel. Klare Sache, man schaut hin, Pro7 als Held von Natur und Konsument. Doch nach dem dritten Mal wird es vielleicht doch langweilig. Scheint man zumindest bei Pro7/Galileo zu befürchten, denn da hat man neuerdings eine postmoderne, wenn nicht postapokalyptische, Themenzusammenstellung, die offensichtlich jeglicher redaktioneller Führung entbehrt. Ganz getreu zumindest einem Motto: Was interessiert mich, was ich vor fünf Minuten gesagt habe?
Rein praktisch gestaltet sich das ungefähr so: Der erste Beitrag mit einem Thema in der Art: Wie schone ich die Umwelt mit Co2-neutralem Heizen durch Einbau eines neuen Spezialofens. Oder: Wie viel Energie spare ich durch Abdichten von Türen und Fenstern? Oder: Wie lässt sich durch gezieltes Abschalten von Geräten Strom sparen? Klassische Verbraucherbeiträge mit dem praktischen Nebeneffekt des Klimaschutzes. Eine durchaus gute Verpackung. Sofort im Anschluss nun aber ein Beitrag, der ein dickes Fragezeichen auf die Stirn des Zuschauers zaubern sollte, da er irgendwie so gar nicht zum selbsternannten Sendermotto passen will, wenn nun die Pferdestärken krachen, Benzin grundlos verheizt wird, dass es einem die Tränen in die Augen treibt…
Der mit Abstand “beste” Fehltritt in einer Linie mit einem Umweltthema: Vier Personen sollen um die Wette von Frankfurt am Main nach Paris gelangen: Der erste mit dem Flugzeug, der zweite mit der Bahn, der dritte mit einem sparsamen Auto, der vierte mit einem Porsche unter – so wurde es in etwa gesagt – sehr kulanter Auslegung der Verkehrsregeln. Sprich: Zu schnell fahren ist geboten. Anstiftung zu einem Verkehrsdelikt bei Kamerabegleitung? Huh? Ja. Der Porschefahrer rast dem Klischee entsprechend wie ein wilder kurz vor dem Herzinfarkt, drängelt Autofahrer mit wenigen Metern Abstand und Lichthupe auf der Autobahn von der linken Spur, kommentiert lakonisch, während der Tachometer hochdreht, dass er ja in Frankreich eigentlich nicht so schnell fahren dürfte, und kommt naturgemäß als erster an. Held des Beitrags. Als zweiter der Flieger, erst dann der Langsam- und der Bahnfahrer. Klare Sache, oder, wie es so schön auf Neudeutsch heißt: Message arrived: Auf der Autobahn die Sau rauslassen lohnt sich, da ist man sogar schneller, als erst zum Flughafen zu fahren. Und hey: Wen stört, dass Porsche und Flugzeug mit extremen Abstand stärker die Umwelt belasten? Immerhin in den letzten Sekunden, um die Paradoxie der Sendungsharmonie etwas aufzulösen, noch ein kleiner Hinweis, dass schnell sein ja nicht alles sei. Hallelujah.
Die Moral der Geschichte? Es gibt keine. Nein, nicht in diesem Text, sondern hinter der redaktionellen Zusammenstellung des erst fasten, um dann umso heftiger zu fressen. Natürlich lässt sich anmerken: Hey, wer erwartet schon etwas von einem Privatsender außer Unterhaltung? Sicher kaum jemand, solange dieser Sender nicht eine Moral behauptet und sie Sekunden später konterkariert, umdreht, hinfällig macht.
Sehr schöner Artikel.
Vielen Dank.
Ebenso vielen Dank. Das liest man gern.