Das ambivalente Verhältnis des Staates zum (technischen) Datenschutz, das sich erst gestern durch die Verabschiedung des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung gezeigt hat, findet sich äußerst komprimiert in einem Zitat von Bundesjustizministerin Zypries wieder:
Frage: Gehört die informationelle Selbstbestimmung nicht mehr zum Selbstverständnis einer modernen Demokratie?
Zypries: Doch, natürlich. Aber das Recht auf informationelle Selbstbestimmung heißt ja nur, dass Bürger darüber informiert werden müssen, wer was von ihnen speichert.
Quelle: dradio.de
Selbstbestimmung wird hier also zur Selbsterfahrung umgedeutet, Bestimmen zu Wissen. Frau Zypries hat durchaus Recht, dass Selbstbestimmung zu einem Teil darin besteht, zu wissen, was andere über einen wissen. Jedoch ist dies eben nur ein Teil dessen, was Selbstbestimmung voraussetzt, wie bereits das Volkszählungsurteil von 1983 deutlich unterstreicht:
Individuelle Selbstbestimmung setzt aber – auch unter den Bedingungen moderner Informationsverarbeitungstechnologien – voraus, daß dem Einzelnen Entscheidungsfreiheit über vorzunehmende oder zu unterlassende Handlungen einschließlich der Möglichkeit gegeben ist, sich auch entsprechend dieser Entscheidung tatsächlich zu verhalten. Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffende Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden.
Quelle: datenschutz-berlin.de
Die Trennung von Selbstbestimmung und Entscheidung, wie sie die Bundesjustizministerin vornimmt, bedeutet nicht mehr als: Du weißt, was der Staat wissen kann, also brauchst Du nicht Angst zu haben, was der Staat vielleicht weiß, da Du ja weißt, was er weiß – nun kannst Du Dich entsprechend verhalten und brauchst Dich nicht zu beschweren, Du hättest nicht sicher gewusst, was andere wissen. Da eben jenes von-Anderen-Gewusst-werden den eigenen Handlungsspielraum eingrenzt, – erst vor kurzem musste man sich wohl überlegen, aus reiner Neugier die Webseite der “militanten gruppe” zu betrachten – schränkt das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung den Handlungsspielraum jener Personen ein, die nachfragen, was gespeichert wird und befürchten, ihr Verhalten könne falsch interpretiert werden.
Selbstbestimmung 2007″ ist im Gegensatz zu “Selbstbestimmung 1983” also nichts weiter als die Kenntnissnahme, was andere wissen. Wie bedauerlich.