Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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Warum es kein Samsung wird.

28. Oktober 2007 by leitmedium

Zu seinem Laptop baut man schnell eine persönliche Beziehung auf: Er begleitet einen auf Reisen, unterstützt bei wichtigen Ereignissen und hilft in Notsituationen mit seinem ausgelagerten Gedächtnis. Er ist persönlicher Begleiter und den richtigen zu finden, das ist keine einfache Aufgabe. Zu schwer, zu laut, zu klein, zu groß, zu langsam, zu wenig hier, zu viel da. Hat man erst einmal seinen richtigen Begleiter gefunden, gibt man ihn nicht so schnell. Tut man es doch, war es noch nicht der richtige. Ist die Zeit gekommen, einen Nachfolger auszusuchen, was läge näher, als ein Produkt des selben Herstellers zu wählen? Das Gerät war gut, die einmalige Reparatur schnell und unkompliziert und eigentlich war alles perfekt – mit dem Samsung X30, auf dem diese Worte entstehen.

Werbevideo für Samsung SGR-A1

Nichts liegt nun ferner, als erneut ein Gerät von Samsung zu erwerben. Nein, die Nachfolgemodelle kämen durchaus in Frage, die Verlockung ist groß. Doch da ist die moralische Seite des Hardwarekaufs: Vor bereits einem Jahr wurde über die Produktion von automatisierten Kampfrobotern aus dem Hause Samsung berichtet. Es klang unglaubwürdig futuristisch und irgendwie konnte man die Achseln desinteressiert hochziehen. Netzgerüchte, bla. Kann ja nicht sein, Science-Fiction. Doch es kann sein: Mit nur drei Klicks präsentiert die Seite samsungtechwin.com eine ganze Palette an Kriegsgeräten – vom gepanzerten Schützenfahrzeug, über Aufklärungstechnik bis zu eben jenem automatisierten, bewaffneten Überwachungsroboter SGR-A1, der damit nur die Pointe ist. Fehlt nur noch der “order here”-Knopf und der Hinweis “we deliver everywhere”.

Nun ließe sich einwenden, dass wahrscheinlich jedes größere Unternehmen mehr oder weniger direkt in die Rüstungsindustrie involviert sei. Abgesehen davon, dass dies nur eine Vermutung ist, macht es jedoch einen Unterschied, ob man nun die Grenze zur ganz offenherzigen Bewerbung unter der gleichen Marke überschreitet, mit der man auch Flachbildmonitore in Grundschulen liefert. Ganz offensichtlich ist die Herstellung von Waffensystemen salonfähig geworden – die Aufregung ist entsprechend verhalten. Der Wahrnehmungswandel lässt sich freilegen, wenn man ihn mit der Diskussion um Krupp und IBM kontrastiert, die beide spätestens im Zweiten Weltkrieg sich mehr als nur die Hände schmutzig machten: Krupp produzierte völlig unverhohlen Waffen, IBM stellt seine Rechenmaschinen recht freizügig jedem inklusive Bedienungspersonal zur Verfügung, der dafür zahlte. Glaubt man dem Buch “IBM und der Holocaust“, dienten die Rechenmaschinen unter anderem der Verwaltung von Konzentrationslagern. Krupp gibt es nicht mehr – es stand nach dem Krieg auf der Verliererseite und wurde stückweise demontiert, IBM hält den Ball so flach wie möglich. Schadensbegrenzung. Immerhin.

Und Samsung? Samsung bietet nicht nur Waffensysteme an, nein, sie automatisieren sie auch noch. Nachdem bereits die Erfindung des Maschinengewehrs eine radikale Veränderung des Krieges durch die Anonymisierung des Tötens brachte, wird jetzt auch das letzte Stück Moral durch Technik ersetzt und fleißig als Fortführung des Krieges mit anderen Mitteln beworben. Es handele sich ja nur um ein Sicherungssystem, man könne es ja auch manuell bedienen. Aber Menschen, die erkennt es ganz automatisch. Und warnen vorm Schießen kann es auch.

An der Mauer wäre der SGR-A1 doch perfekt platziert gewesen: Wartungsarm, moralfrei, schießt, statt zu denken.

Nein, ein Samsung wird es nicht mehr.

Filed Under: Kultur, Kulturgeschichte, Medien, Moral, Philosophie, Technik, Werbung, Wirtschaft

Comments

  1. JPK says

    29. Oktober 2007 at 16:57

    Krasse Kiste, dabei wollte ich mir eigentlich so ein Samsung-Dingen zulegen. Ich glaube ich werde meine Überlegungen jetzt in eine andere Richtung erstrecken.

  2. Igor says

    24. März 2008 at 14:40

    Cooles Teil. Kann man aber bestimmt nicht einfach so kaufen.

  3. Tobias says

    14. April 2009 at 18:57

    krass!

  4. Chris says

    14. April 2009 at 21:12

    Und Schlaaand ist grad wieder Europameister im Rüstungsexport geworden. Krise ade? Was kauf ich nur als nächstes …

  5. artur says

    14. Juni 2009 at 1:28

    cool, ich hoffe die bundeswehr stellt solche roboter auch in dienst. mit ein wenig glück kann ich dadran auch mitbasteln sobald ich fertig studiert hab 🙂

  6. Andi says

    10. Februar 2011 at 11:17

    Ja, das Problem kenn ich – ich habe auch diverseste Samsung Produkte und bin damit auch ganz glücklich. Aber das wird in Zukunft auch meine Entscheidung beeinflussen und um die Info noch etwas zu verbreiten, habe ich sie auch in Wikipedia etwas prominenter dargestellt. Danke für die moralische Unterstützung! Btw. wurde der Robotor zumindest bisher noch nicht installiert.

  7. Allen says

    15. April 2011 at 13:54

    Wo liegt das Problem ? Die Anstrengungen von Samsung sind in der Tat lobenswert, weitere Konzerne werden nachziehen um eine Monopolstellung Samsungs auf den Markt für stationäre automatisierte Kampfsysteme zu verhindern. Hoffen wir das deutsche Konzerne das Potential dieser Technologie rechtzeitig erkennen. Kampfroboter sind zuverlässiger, preiswerter und präziser als gewöhnliche menschliche Infanterie. Sie wären perfekt geeignet für den europäischen Grenzschutz, den Schutz wichtiger Gebäude (Banken, Firmenzentralen,…) und für Straßensperren.

  8. NetzBlogR says

    4. Dezember 2012 at 22:15

    Würde man das alles in Erwägung ziehen beim Kauf, dann willkommen in der Neanderthaler-Höhle. Fast jedes Technikunternehmen ist mit großen und kleinen Bauteilen an Waffen beteiligt.

    Selbst in den Urlaub dürfte man nicht mehr fliegen, weil Boeing und Airbus (besser: die Mutter EADS) an Militärflugzeugen und Spionage-Satellitentechnik beteiligt sind.

  9. hannes says

    4. Dezember 2012 at 22:51

    Ein Großteil der funktechnik für den mobilfunkempfang kommt von Siemens. Rate mal wer die Elektronik des leopard 2 produziert. Oder wer baut die ICE der deutschen Bahn? Siemens und krauss maffey. Direkt neben dem panzerwerk von krauss maffey. Die Liste ist endlos…
    Frage mich wie du ein Smartphone ohne Mobilfunknetz sinnvoll nutzen willst. Oder ohne Bahn, Flugzeug, Auto in den Urlaub fährst?
    Eine gewisse doppelmoral wird hier schon an den Tag gelegt.