Etwas unbeholfen titel der Tagesspiegel mit “Klick den Kafka” seinen Bericht zur hier bereits verhandelten Seite zeno.org. Der Artikel konzentriert sich auf zwei Aspekte:
1. Die geplante Finanzierung über Werbeeinnahmen und die Hoffnung der Seitenbetreiber, durch Textmasse genügend Aufmerksamkeit zu erzeugen, werden thematisiert:
Auch Zeno.org handelt mit der Aufmerksamkeit seiner Benutzer: Je häufiger die Seite angeklickt wird, desto attraktiver wird sie für die werbetreibende Wirtschaft – sofern diese an Zielgruppen interessiert ist, die sich ihrerseits für Literatur im Netz erwärmen. Während Zeitungen immer luftiger werden, stellt man hier kurzerhand eine halbe Milliarde Wörter ins Netz und hofft, damit irgendwann Geld zu verdienen.
Quelle: tagesspiegel.de
Der Vergleich des Volumens von Zeitung und zeno.org überrascht – schließlich handeln sie mit völlig anderen Texten. Aber sei es drum: Der Hinweis auf die gegenläufigen Tendenzen im Druck- und Webbereich ist durchaus berechtigt. Während im Druckbereich möglicherweise eine rückläufige Tendenz von Textvolumen zu beobachten ist, lässt sich im Netz mit Masse arbeiten.
2. Dies führt indirekt zu einer Analyse der Textqualität. Diese ist durch die Übernahme anerkannter aber gemeinfreier Werke nicht zwangsläufig gegeben:
So ist der allgemeine Jubel über Volltextsammlungen mit Open Access durchaus verständlich, zeugt aber auch von einer gewissen Wurschtigkeit: Hauptsache, man rettet das kulturelle Erbe ins digitale Zeitalter und versammelt die großen Namen – was sich dahinter verbirgt, nun ja. Was Online-Bibliotheken wie Zeno.org mithin fehlt, lässt sich im einschlägigen Jargon so formulieren: Premium-Content. Das wiederum liegt nicht allein an den Betreibern der Seiten, sondern an einem Dilemma geisteswissenschaftlicher Öffentlichkeit: Da werden exzellente, aber teure Klassiker-Editionen mit viel Aufwand erarbeitet und maßgeblich durch öffentliche Gelder finanziert. Dann wandern sie mit allen Rechten in die Hände privater Verlage, die kaum erschwingliche Ausgaben vor allem an Bibliotheken losschlagen, die diese wiederum deshalb kaufen können, weil sie ebenfalls öffentlich subventioniert sind. Diesen gordischen Knoten mögen jedoch die an Markenpflege geschulten Geisteswissenschaftler und Literaturlobbyisten nur ungern zerschlagen: Kafka bei S. Fischer – das klingt eben weit besser als Kafka bei WeWeWe Kafka DeE.
Quelle: tagesspiegel.de
Auch ein gemeinfreier Text entwickelt sich also weiter, ein übersetzter durch Neuübertragen sogar noch schneller, wie auf dem Übersetzertag argumentiert wurde. Doch ein wenig lässt sich hier auch einfach der Seitenhieb von “Qualitätsjournalismus” gegen dieses große neue unheimliche Webdings herauslesen. Wenn auch einige Kritikpunkte durchaus bestehen, um hier nicht wieder mit “Kot” um sich zu werfen, wie ein Nutzer kürzlich feststellte. Siehe dazu auch die Antwort vom zeno.org-Geschäftsführer.