Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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Kurzkritik zum Merkel-Interview von LeFloid: Nächstes mal mehr Youtube, bitte.

13. Juli 2015 by leitmedium

Bundeskanzlerin Merkel wurde von Youtuber LeFloid interviewt. Ich lese gerade auf Twitter viel Kritik, die ich so nicht unterschreiben würde, daher kurz ein paar Gedanken zu dem 30minütigen Stück:

Zunächst: Ich habe Respekt davor, dass LeFloid Merkel interviewt hat. Ich war letztes Jahr auf einer Tagung von SozialpädagogInnen, die vor allem mit Jugendlichen arbeiten. Irgendwann ging es um Youtube und es fiel das Zitat “Wir haben keine Ahnung von Facebook und Youtube, aber wir sind dankbar für LeFloid – wegen ihm reden die Jugendlichen über Politik”. Das ist eine Leistung, aber natürlich kein Freibrief für LeFloid. In den letzten Monaten stand er wiederholt berechtigt in der Kritik. Das muss er als Medienprofi mit großer Reichweite aushalten.

Nun jedenfalls interviewt er die Bundeskanzlerin. Ich finde das Gespräch wenig überraschend, aber durchaus einem Faden folgend und hier und da mit Nachfragen versehen. Es werden auch strittige Themen wie die Ehe für alle diskutiert. Das Interview ist also kein Reinfall und auch nicht peinlich. Was mich eher irritiert, ist die Frage: Wer genau interviewt da eigentlich die Kanzlerin: LeFloid oder nur ein junger Mensch?

Ich war eigentlich davon ausgegangen, dass das Video in einem oder mehreren ca. 7minütigen Stücken aufgearbeitet wird: Youtube eben. Was jetzt zu sehen ist, wirkt eher wie ein Spätabend-Programm im ZDF. Das ist schade, denn LeFloid hat seine Reichweite nicht für 30minütige Stücke bekommen. Er verpackt und spitzt zu. Youtube eben.

Ein paar Interview-Kniffe hätten das Gespräch bei gleichem Inhalt wahrscheinlich weniger zustimmend wirken lassen. LeFloid sagt oft “absolut!” an Stellen, die eigentlich nicht passen. Ich kenne das aus meinen Podcasts: Man möchte dem Gegenüber mitteilen, dass man zuhört und verstanden hat. Für ZuhörerInnen wirkt es aber wie eine inhaltliche Zustimmung. Es ist besser, hier auf ein leises Nicken zu setzen: Das hört man nicht, aber GesprächspartnerInnen sehen, dass man ihnen weiterhin folgt.

Kurze Rede, kurzer Sinn: Eigentlich wäre es die Aufgabe vom Presseteam von Frau Merkel gewesen, mehr Youtube auf Youtube zuzulassen. Das wäre schön gewesen, hätte witzig oder interessant sein können. So ist es eine gut absolvierte Pflichtaufgabe und verschenkte Chance – eher für Merkel als für LeFloid.

p.s.: Diese Geste von LeFloid wird in die Meme-Historie eingehen:

Filed Under: Allgemein

Comments

  1. monoxyd says

    13. Juli 2015 at 22:32

    Auch wenn ich die Kritik in dem Tweet nicht teile, ein bisschen lachen musste ich schon:

    Quelle

  2. monoxyd says

    13. Juli 2015 at 22:32

    @leitmedium Ups. Man kann in deinen Kommentaren keine Bilder einbinden, wie? Sorry!

  3. leitmedium says

    13. Juli 2015 at 22:33

    @monoxyd skandal!

  4. 4r73m15 says

    13. Juli 2015 at 22:37

    @leitmedium Mir fällt vor allem auf wie nervig es sein muss wenn man zu allem eine Meinung braucht, also als Frau Merkel jetzt

  5. ePirat says

    13. Juli 2015 at 22:43

    @leitmedium Huch, dein Theme ist bei den Kommentaren und Mentions irgendwie total kaputt o_O

  6. leitmedium says

    13. Juli 2015 at 23:31

    @ePirat Ja: Ich habe seit ein paar Wochen das Indyweb aktiviert, leider kommt das Theme damit nicht zurecht.

  7. Christian Meyer says

    14. Juli 2015 at 0:01

    @rstockm Weil er kein Profi ist. Und aufgeregt war er obendrein. Verständlich. Soll mal einer nachmachen. @leitmedium @gutjahr @LeFloid

  8. Ralf Stockmann says

    14. Juli 2015 at 0:03

    @ganzbeitrost ein „sie haben mit keinem Wort meine Frage gestreift“ kann man als Nicht-Profi besser stellen? @leitmedium @gutjahr @LeFloid

  9. Christian Meyer says

    14. Juli 2015 at 0:11

    @rstockm Du könntest das. Er nicht. Warum? Keine Ahnung. Spielt in dem Kontext auch keine Rolle. @leitmedium @gutjahr @LeFloid

  10. Oliver Lysiak says

    14. Juli 2015 at 2:38

    Naja letztlich ist es schon ein Werbevideo für Merkel, denn die Zuschauer empfinden es als Ehre, dass Merkel ihr Idol zum Interview gebeten hat und ihn damit quasi adelt. Klar ist es fast unmöglich gegen einen Medienprofi wie Merkel anzukommen, weil etwas aus ihr herauszubekommen das kein Gewäsch ist ist wie Aale mit öligen Fingern fangen zu wollen. Ich mache Flo keinen Vorwurf, weil ich selbst oft genug Leuten gegenübersitze die BlaBla von sich geben in Interviews. Die einzige Chance sich nicht instrumentalisieren zu lassen ist wohl so etwas nicht zu machen. Oder wirklich unhöflich werden und so gut vorbereitet sein das man den Leuten ins Gesicht sagt, dass sie lügen und Scheisse reden.
    Jetzt ist sie die nette Mutti die vielleicht manchmal etwas verschroben, aber eigentlich total cool ist…

  11. Tobias Mathes says

    14. Juli 2015 at 10:56

    Das hat sich die Merkel vom Obama abgeschaut, der weiß nämlich wie das mit dem Internet geht.

Trackbacks

  1. dasnuf sagt:
    14. Juli 2015 um 11:17

    So, ihr lieben Hasis! Ich sach jetzt mal als Muddi was zum LeFloid Interview mit der Kanzlerin.
    [youtube http://www.youtube.com/watch?v=5OemiOryt3c%5D
    Tatsächlich regen mich die herablassenden Kommentare, die ich auf Twitter dazu lese auf. Zuallererst: Ohne die re:publica 2013 wäre das Phänomen LeFloid völlig an mir vorbei gegangen. Ich bin 40. Ich bin zu alt für YouTube. Diese Bussibussi Haul Videos, die Beauty Channels, die Lets Plays… ich kann sie nicht ertragen. Genauso wenig LeFloid mit seinen LeNews. Die zack-zack Schnitte, das Gefuchtel und diese Sprache – das ist nicht auszuhalten für mich (ich rufe das aus meinem gepolsterten Schaukelstuhl und fuchtele mit einem Stock dazu)! Aber das ist egal. ICH bin nicht die Zielgruppe, ich bin zu alt, ich muss das nicht verstehen und nicht gut finden. Allerdings muss ich das kennen. So. Weil es interessiert nämlich meine Kinder und zwar brennend.
    So wie mich als Kind und Teenager bestimmte Dinge interessiert haben, die meine Eltern nicht beschäftigt haben. Ich überlege mal kurz, was mich interessiert hat: türkisfarbene Bomberjacken mit übergroßem Fellkragen und schlabbrige Diesel Tyler Jeans, Bonnie Bianco, das Musikmagazin Formel Eins, der Atari meines Schulfreundes, den ich nur anschauen, nicht anfassen durfte, die Bücher von Wolfgang und Heike Hohlbein, Zungenküsse muss das sein? Ist doch ziemlich ekelig, oder?
    Warum ich das aufzähle:
    a) Meine Eltern hat das (in meiner Wahrnehmung) nicht besonders interessiert
    b) Das waren nicht gerade die hochgeistigen Themen der 80er Ära
    Zurück zu LeFloid: die Kinder interessieren sich für diesen Typen, sind regelrecht Fan, schauen regelmäßig was er macht und denken nach über das was er erzählt. Ohne LeFloid würden sie ziemlich sicher nicht über aktuelle (politische) Themen Bescheid wissen und eine Meinung dazu haben, die man auch mit ihnen diskutieren kann.
    Wieder zurück zu mir: Ich bin politikverdrossen. Die Haltung der großen Parteien zu Themen, die mir wichtig sind (z.B. Netzpolitik, Familienpolitik, Europapolitik, Asylpolitik), sind für mich unerträglich.
    Ich bin ein Kind der Kohlära und wie es mir scheint, steuern wir mit Frau Merkel auf eine ziemlich ähnlich unbewegliche und konservative Ära zu. Wenn sich jetzt meine Kinder für Politik interessieren – was soll ich dagegen haben?
    Ich rechne es LeFloid hoch an, dass er schafft nicht unwesentlich viele Kinder und Jugendliche für Politik und Tagesgeschehen zu interessieren. Punkt.
    Zum Interview selbst. Da sitzt ein 27jähriger YouTuber, der mit der Bundeskanzlerin spricht. Ich halte mich für klug und kritisch aber ich habe zuletzt in meinem Gespräch mit Murkudis gemerkt wie wahnsinnig schwierig es ist, kritisch zu bleiben, wenn jemand einem sympathisch ist, seine Sache gut verkauft und ein Kommunikationsprofi ist. ICH möchte kein kritisches Interview mit Frau Merkel führen. Ich habe sie einmal live gesehen und war geschockt, wie sympatisch sie rüberkam, obwohl sie über die Aufhebung der Netzneutralität in Deutschland sprach. Hinterher hätte ich mir gerne das Hirn mit Kernseife ausgewaschen und mich drei Mal geohrfeigt, aber die Frau ist ein Medienprofi.
    Ich glaube, es ist extrem schwierig ein kritisches Interview zu führen. Die Grenze es dann überhaupt führen zu dürfen stelle ich mir eng vor. Man hat also vermutlich die Wahl zwischen einem gefälligen Mittelweg oder gar keinem Interview und in diesem Licht hat LeFloid das gut gemacht.
    Zumal, er wirkte auf mich wirklich sehr gut vorbereitet. Es gibt andere Formate von „Journalisten“, welche versuchen die Medienglätte von Politikerinnen und Politikern zu knacken, indem sie sich doof stellen und sich wie ein Kasper benehmen. Ich konnte mir dieses Format nicht anschauen. Zu viel Gekasper für zu wenig überraschenden Output.
    Für mich ist dieses Interview nicht der Untergang des Journalismus, es ist der Anfang eines Dialogs.
    Und wenn ich LeFloid einen Verbesserungstipp geben müsste, das hat Leitmedium bereits sehr gut formuliert: „Ein paar Interview-Kniffe hätten das Gespräch bei gleichem Inhalt wahrscheinlich weniger zustimmend wirken lassen. LeFloid sagt oft “absolut!” an Stellen, die eigentlich nicht passen. Ich kenne das aus meinen Podcasts: Man möchte dem Gegenüber mitteilen, dass man zuhört und verstanden hat. Für ZuhörerInnen wirkt es aber wie eine inhaltliche Zustimmung. Es ist besser, hier auf ein leises Nicken zu setzen: Das hört man nicht, aber GesprächspartnerInnen sehen, dass man ihnen weiterhin folgt.“
    Das habe ich auch so empfunden. Das „absolut“ war in vielen Fällen gar keine Zustimmung sondern eine Worthülse. Jede weitere Kritik an der Sprache ist albern. Ob jemand sagt „Ja, cool“ oder „Frau Bundeskanzlerin, ich verstehe ihren Punkt“, das ist doch egal.
    Deswegen: Ich fands gut. „LeNews“ war bislang nicht bekannt ein kritisches Medienformat zu sein (ich glaube, es läuft unter Boulevard-Magazin), den Anspruch, dass das Interview nun aber kritisch investigativ sein sollte, kann ich nicht nachvollziehen. LeFloid war gut vorbereitet, er hat eine Diskussion angestoßen und er hat sogar die Eltern der Kinder und Jugendlichen erreicht.
     

  2. Interviews, Aufregung über "diese Jugend" und Toastbrot sagt:
    14. Juli 2015 um 22:08

    […] wenn man sich die Meinung des Gegenübers nicht unkritisch zueigen machen will, wurde auch schon von Leitmedium angemerkt und in diesem wundervollen Video von map […]