»Aber sie hat es probiert« schrieb ich und war davon wirklich beeindruckt. Sie hatte es gewagt und ein Café aufgemacht. So viel Mut hätte ich auch gern. Und ebenso viel Mut, es wieder u schließen. Dann war das Café weg, mein Abschiedstext wurde freundlich im Netz aufgenommen und die Geschichte beendet.
Nicht ganz. Ein neues Café eröffnete im selben Laden. Das Konzept war mir nicht ganz klar: Ein Tattoo-Laden, ein HipHop-Mode-Label und ein Café in einem. Typen mit Basecaps und Tattoos hingen davor rum. Auf eine entspannte Art. Ich ging ab und zu einen Espresso Macchiato drin kaufen, sah mir die ulkigen Flyer an und kaufte einmal eine Tattoo-Creme, um Marvin zu feiern und weil ich es irgendwie drollig fand, dass große Kerle in dem Laden ihre selbst produzierte Salben in (ziemlich gut aussehenden) Tuben verkauften.
Das Einzige was noch an das Café davor erinnerte war die Espressomaschine. Sie hatte Holzgriffe. Immer wenn ich sie sah, musste ich an das Gespräch denken und überlegte, was die Ex-Besitzerin wohl nun macht. Von meinem Artikel wusste sie wahrscheinlich nichts. Ich hatte mir Mühe gegeben, dass Café und Besitzerin anonym blieben.
Monate später, die Geschichte war nahezu vergessen, schrieb mich eine Journalistin an und bat um ein Telefonat. Sie habe den Blog-Post gelesen und hätte gern Kontakt zu der ehemaligen Betreiberin, um ein Interview zu führen. Kontakt, das ist gut. Ich wusste selber nicht, wie sie heißt. Aber eine alte Facebook-Seite des Cafés ließ sich finden und ich leitete ausreichend Recherche-Hinweise weiter.
Wieder ein paar Monate später erhielt ich Post: das »Frauenmagazin emotion«. Ich verstand erst nicht ganz. So ganz als Zielgruppe fühlte ich mich nicht. Feminismus hin oder her. Ansonsten bekomme ich ja manchmal merkwürdige Post von Menschen aus dem Internet. Von aufdringlichen Autoren, die Ihr Buch rezensiert haben wollen (Da kann ich vielleicht Geschichten erzählen), über Anwaltsschreiben (Da kann ich noch viel mehr erzählen) bis zu Geschenken (Da sollte ich wirklich mal was drüber erzählen) ist alles dabei. Ich blätterte das Magazin durch und endlich verstand ich: Es enthielt das Interview mit der ehemaligen Besitzerin. Und diesmal war auch ich das Thema:
»Viele wollten mich zum Durchhalten überreden. In der Gastronomie seien die ersten drei Jahre immer schleppend, ich solle den Sommer abwarten, da werde der Laden boomen … Ein einziger Gast stimme mir vorbehaltlos zu und erzählte mir von dem Motto: ‘Fail fast’ – also trau dich schnell zu scheitern, probiere Dinge aus, aber halte nicht an Strategien fest, nur, weil du sie einmal beschlossen hast.«
Ja, das war ihre Erinnerung an unser Gespräch. Ich hatte es gebloggt und sie es in einem Interview nacherzählt. Merkwürdige Begebenheit. Aber endlich eine Antwort auf meine Frage, was denn nun geworden ist:
»Erstaunlicherweise verlief die Schließung dann emotional recht unaufgeregt. Ich war vor allem erleichtert, zurückkehren zu können in mein altes Leben, in die Sicherheit. Ängste, ich würde den Schritt nach all der Energie, die ich den Laden gesteckt hatte, eines Tages bereuen, waren unbegründet. Vielmehr habe ich meinen Beruf durch den Umweg erst richtig zu schätzen gelernt. Mit viel Freude und auch selbstbewusster stehe ich jetzt vor der Klasse.«
Aber sie hat es probiert. Und ich schaue demnächst mal vorbei, ob das Tattoo-HipHop-Café noch da ist. Meine Creme ist nämlich alle. Vielleicht ist ja auch was neues drin und der nächste hat es probiert.
Zitate aus: »Protokolle», von Elisabeth Hussendörfer, in: »emotion. Das Frauenmagazin«, 02-2016, S. 69.
Schöne Geschichte und ein ebensolcher Text. Danke Dir.