Welches Paradigma bestimmt den Umgang des Menschen mit dem Computer? Diese Frage wird seit Jahrzehnten gestellt. Im Rahmen der Mensch-Computer-Interaktion- und Schnittstellen-Forschung gibt es unzählige Antworten. Auch Daniel Cermak-Sassenrath reiht sich mit „Interaktivität als Spiel. Neue Perspektiven auf den Alltag mit dem Computer“ in dieses Forschungsfeld ein. Er fügt mit seinem Buch eine These und eine Nuance in diese Disziplin ein: Die These: Die Nutzung des Computers ist Durchdrungen vom spielerischen Momenten und nähert sich zunehmend dem Spiel. Die Nuance: Mensch und Computer verbinden ein „Umgang“, kein „user“-Verhältnis.
Frieder Nake fasst im Vorwort des Buches treffend zusammen, dass die Cermak-Sassenraths These zunächst nur schwer annehmbar ist: Wer möchte nicht von sich behaupten, am Computer ernsthafte und gezielte Tätigkeiten durchzuführen? Doch muss sich Spielerisches der Ernsthaftigkeit widersprechen? Sicher nicht. In anderen Forschungsfeldern ist eine Verknüpfung von spielerischer Herangehensweise und zielgerichteter Tätigkeit bereits kanonisch. Blickt man auf die Computer-Spiel-Geschichte, wie insbesondere Claus Pias dies mit „Computer Spiel Welten“ eindrucksvoll vorgelegt hat, erscheint eine enge Beziehung von Spiel und Computer, wie auch Spiel- und Computer-Entwicklung mehr als naheliegend.
Cermak-Sassenrath arbeitet sich in seiner vorliegenden Dissertationsschrift geradlinig entlang einer fundierten und klar strukturierte Argumentation. Der „Homo Ludens“, das „Spiel als Haltung“ durchdringen metaphysisch die vermeintlich seriöse (im Sinne nicht-spielerischer Handlung) Arbeit am und mit dem Computer. Die Grenze zwischen Arbeit und Spiel löst sich in einer Ununterscheidbarkeit auf, die weniger postmodern ist, als sie zu verheißen mag. Spiel und Arbeit werden dabei nie gleichgesetzt.
Als Nuance verabschieded sich Cermak-Sassenrath vom „user“, der in den Kulturwissenschaften immer schon einen faden Beigeschmack hatte. Stattdessen wird das Modell des „Umgangs“ mit dem Computer ausgearbeitet, das sich als hilfreiches Werkzeug erweist. Diese Nuance ist nicht revolutionär, bietet aber aufgrund der fundierten Schreibweise eine solide Basis für weitergehende Betrachtungen.
„Interaktivität als Spiel“ ist keine Abendlektüre. Im Gegensatz zu Pias‘ „Computer Spiel Welten“ verzichtet es auf eben jene spielerische Leichtigkeit, die ein kulturwissenschaftliches Buch neben wissenschaftlicher Diskurs-Fähigkeit oft auch zur unterhaltenden Lektüre werden lassen. Doch das vorliegende Buch entstammt nicht primär der Kulturwissenschaft. Die Schrift wurde eingereicht im Bereich Informatik und Mathematik und unterstreicht dies mit notwendiger Sachlichkeit. Dass das Thema dennoch interdisziplinär aufgerollt wurde, macht es umso interessanter. Nichtzuletzt als Gesprächsangebot.
Das Buch ist im Mai 2010 bei [transcript] erschienen. 382 Seiten, 29,80 EUR. Eine Online-Leseprobe (PDF) bietet Inhaltsverzeichnis, Vorwort und die Einleitung.