Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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FAZ-Layout: “Ab durch die Mitte”

3. Oktober 2007 by leitmedium

Deutlich verhaltener als Mercedes Bunz (Tagesspiegel Online, De:Bug) sieht Jens Jessen (früherer Feuilletonredaktuer der FAZ, jetzt Feuilletonchef der ZEIT) die neue Titelseite der FAZ, die ab Freitag, den 5. Oktober, mit Bild und neuen Schriftarten aufwartet:

Hinter dem Verzicht auf Titelbilder steckte nämlich auch die Einsicht, dass die üblichen Nachrichtenfotos keinen Informationswert haben, der nicht in einem Text besser vermittelt werden kann. […] Es gab in der Zeitung ein hohes medienskeptisches Bewusstsein, das ihr auch lange nahelegte, auf Interviews zu verzichten, weil deren Inhalt sich ebenso gut auf einem Bruchteil des Platzes referieren lässt. Sollte der resignatorische Befund zutreffen, dass mit solchen Einsichten heute kein Blatt mehr zu machen ist, hieße das nichts anderes, als dass die Intelligenz der Mediennutzung allgemein abnimmt – und insbesondere das bürgerlich-kritische Leserbiotop schwindet. Die Normalisierung, von der die neue Titelseite der FAZ kündet, ist eine Normalisierung nach unten.
Quelle: Jens Jessen, Ab durch die Mitte. Die neue Titelseite der FAZ, in: Die ZEIT, 40/2007, S. 67.

Die Feststellung wiegt schwer, zumal sie in einer Zeitung erfolgt, die trotz ihrer Textlastigkeit auf eine visuelle Gestaltung und üppige Bebilderung nicht verzichtet. Der Vorwurf in der ZEIT ist somit zugleich auch ein Vorwurf an die Zeit, die erst vor kurzem mit der Aufstockung des Magazins “Leben” den Unterhaltungs- und Gestaltungsfaktor steigerte (wenn auch sehr angenehm).

Einem “Viel passiert nicht”, wie Mercedes Bunz schreibt, kann nur bedingt zugestimmt werden. Ja, es passiert nicht viel: ein Bild, ein paar neue Schriftarten, Farbe. Und dennoch: Wenn eine derart grundlegende Änderung, die letztlich an der Kernaussage einer Zeitung kratzt, sich auf der Hauptseite der FAZ abspielt, ist das mehr als die neue Brille von Günther Jauch. In eine Medienökologie nach Postman zu verfallen (vgl. “Wir amüsieren uns zu Tode” und “Die zweite Aufklärung” , wäre sicher verfrüht und irgendwie auch peinlich. Oder ein wenig zu spät.

Anmerkung:

Der wöchentliche “Blogblick” der Netzeitung zitiert den hier bereits veröffentlichten Artikel zur FAZ. Leider unkommentiert.

  • Die FAZ wird bunt. Ein wenig.
  • Warum die NSA-Affäre niemanden wirklich stört? Vielleicht, weil selbst Facebook weniger trackt als Guardian und FAZ
  • Zum Tod von Friedrich Kittler

Filed Under: Druck, Ikonographie, Kommentar, Kommunikation, Kritik, Kultur, Kulturgeschichte, Literatur, Medien, Moderne, Schrift

Comments

  1. lara says

    17. Oktober 2007 at 21:47

    Bemerkenswert, dass die FAZ als einer der letzten Zeitungen noch Frakturschrift benutzt.