Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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Quasi dasselbe mit anderen Worten. Umberto Eco in Berlin

23. September 2007 by leitmedium

Quasi dasselbe mit anderen Worten. Über das Übersetzen … heißt eines der aktuellsten Bücher von Umberto Eco. Als vielübersetzter und übersetzender Autor widmet sich Eco darin der Problematik der Übertragbarkeit von Text in einer Sprache:

Umberto Eco und Philip Roth schreiben ihre Bücher auf Italienisch und Englisch und wir lesen sie auf Deutsch. Steht dann in beiden Sprachen dasselbe auf dem Papier? Oder hat der Übersetzer aus dem Original einen völlig anderen Text gemacht? Umberto Eco, der weltweit bedeutendste Semiotiker und Zeichentheoretiker, hat ein Buch geschrieben, das die Diskussion über das Übersetzen auf eine vollkommen neue Grundlage stellt. Kann der Übersetzer das Original verbessern? Gibt es so etwas wie Wörtlichkeit? Diesen Fragen geht Eco nach, illustriert mit Beispielen aus den berühmtesten Texten der Weltliteratur.
Quelle: Klappentext “Quasi dasselbe mit anderen Worten“

Nicht zuletzt diese in einem Buch komprimierte Arbeit an der nicht lösbaren Aufgabe der perfekten Übersetzung war der Grund für die Einladung Ecos zum Übersetzertag im Literarischen Colloquium Berlin. “Mal Eco sehen” stand also auf dem Plan, wie auch eine gewisse Neugier, was dort verhandelt wird.

Was sich bot war eine bedrückend schöne Gründerzeitvilla am Wannsee, ein Saal voller Übersetzer und eine Podiumsiskussion mit Werner von Koppenfels und dem Literaturkritiker Denis Scheck. “Als Gast diskutiert mit: Umberto Eco”. Man nimmt, was man kriegt. Nach einem durchaus interessanten Schnelldurchlauf durch die Geschichte der Übersetzungskunst (Wie schnell man doch zum Tode verurteilt werden konnte) erhob sich ein überraschendes Wehklagen der anwesenden Übersetzer. Man verdiene zu wenig, man habe schwere Arbeit, man werde nicht beachtet. Ja, man wird nicht beachtet, denn nur selten wird thematisiert, dass ein auf Deutsch erscheinendes fremdsprachiges Buch übersetzt wurde. Wer vermag schon aus dem Stehgreif zu sagen, welcher Roman von welchem Übersetzer bearbeitet wurde. Der Name der Rose? Keine Ahnung (Burkhart Kroeber). Übersetzungskritik? Nur selten, wie besonders Scheck bemängelte.

Und so waren die Klagen zum Teil nachvollziehbar und mischten sich mit einer Diskussion um die Frage nach der Übersetzbarkeit an sich. Warum können die Briten Shakespeare anhand des Originaltextes immer wieder neu entdecken, während man im Ausland auf ständig aktualisierte Neuübersetzungen zurückgreifen muss? Wie verhält sich die Begriffsverschiebung im Original zur Begriffsverschiebung in der Übersetzung? Muss man sich für eine ästhetische oder inhaltliche Übersetzung exklusiv entscheiden? Vielleicht nicht exklusiv, aber ja, ein Text benötigt letztlich mehrere Übersetzung, um in seiner Vielfalt erfasst zu werden, war sich auch Eco sicher, der in einer Meisterleistung synchron übersetzt wurde. Ein nicht unironisches Moment während einer solchen Diskussion.

Was nach zwei Stunden bleibt, ist eine gewisse Aufmerksamkeit für die Zeile “Aus dem … von …”, Ecos Rückseite, unscharf, und die Erinnerung an seine Zigarre.

Aktualisierung:

Die Tagung fand natürlich auch andernorts Erwähnung:

  • Berliner Zeitung: Zehn Jahre Deutscher Übersetzersfonds
  • Tagesspiegel: Zunge zeigen
  • Zehn Bücher zur Weihnacht
  • Lange Nacht der Bibliotheken 2011
  • Zeno.org oder die Bibliothek von Alexandria war eine geschlossene Gesellschaft

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