Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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A Night with Frida

11. Juli 2007 by leitmedium

Dienstag Abend, 20 Uhr. Restaurant Frida Kahlo. Nein, reserviert wurde nicht. Oder doch? Da müsse man jetzt erstmal seine Kollegen fragen. Ah doch, da hinten, direkt unterm Lautsprecher. Man sieht es ja an der Postkarte auf die mit Kugelschreiber im Halbdunkel mit viel Mühe noch ein zusammenhängendes Wort aufgetragen wurde.

An Bedienung mangelt es nicht. Quantitativ. Innerhalb von fünf Minuten treffen drei hektische Kellnerinnen ein und zeigen ein vorbildlich gestresstes Gesicht, wenn die Bestellung nicht in militärischer Akuranz vorgetragen wird. Nein, die Karten könne man nicht behalten, es gibt ja so wenige. Na, eine könne man dalassen, da kann die Hauptspeise ja dann gemeinsam ausgesucht werden.

Irgendwie wird die Musik immer lauter.

Unser vierter Gast trifft ein. Ob wir jetzt doch nochmal die Karten haben könnten. Nein, es sind ja so wenige da. Aber es finden sich doch drei. Für vier. Eine schien vorher als Untersetzter fungiert zu haben und trieft von einer unbekannten Flüssigkeit.

Zwei weitere Kellner versichern sich im Minutentakt, ob wir dann jetzt nicht doch mal wüssten, was wir bestellen wollen. Mühevoll geben wir die Bestellung auf. Zweimal Ente, Scampis, Tortilla. Die Kellnerin nuschelt eine unverständliche Frage. Die Musik wird lauter. Ja, sicher. Zufrieden ergattert sie die Karten.

Eine Stunde später. Die Musik ist lauter. Elektrotango irgendwas. Kennt man diese Stilrichtung nicht, darf man es auch ruhig für Techno halten. Was hat eigentlich Frida Kahlo mit all dem zu tun? Achja, die Bilder an der Wand und auf der Karte.

Das Essen trifft ein. Endlich. Das Tortillairgendwas scheint als Auffanglager für heimatlose Schärfe gedient zu haben. Schade. Es soll Karten geben, die mit dem Wort „pikant“ auf diesen Zustand hinweisen. Ein Essenstausch am Tisch rettet die Situation. Die Ente ist irgendwie gar nicht rosa. Nein, eigentlich ist sie weiß. Weiße Ente? Ist das Ente? Ja, klar. Nein? Doch. Nein. Die rosa Ente ist eine weiße Hähnchenbrust. Es scheppert. Karten fliegen durch die Luft, mehrere Gläser splittern auf dem Boden. Eine Kellnerin bricht in Tränen aus.

Ähm, unsere Ente ist keine… Also wir wollen nicht stören. Tränen fließen weiter. Ja jetzt habe man ja schon so viel probiert. Da gäbe es nicht zwei Enten. Aber man könne das jetzt alles Mitnehmen und dann eine Entenbrust auf einem Teller für zwei bringen. Egal. Machen sie einfach. Bitte. Ob sie einen verstanden hat? Wäre die Musik nur nicht so laut… Die Sehnsucht nach dem Draußen wächst. Einfach in der Stille rumstehen und die Leere anstarren.

Die Musik wird lauter.

Eine freundliche Nachfrage beim Personal ob es der tränenzerflossenen Kellnerin wieder besser gehe wird mit der freundlichen Arroganz des „Wenn Sie wüssten wie hart unser harter Job ist“ kommentarlos quittiert.

Die Ente kommt. Sie schmeckt so durchschnittlich, dass es einem peinlich ist, am Tisch ein Gespräch darüber zu führen. Der Vietnamese um die Ecke bereitet sie besser zu. Na, die Sauce ist aber hervorragend. Wenn sie nicht so sauer wäre.

Ob wir jetzt endlich gehen können. Nur schnell zahlen. Warum ist es hier nur so voll? Und was hat das alles mit Frida Kahlo zu tun? Und warum muss mexikanisches Essen immer so schlecht sein? Wir werden es nie herausfinden. Was sagt man statt „Auf Wiedersehen?“. Guten Abend noch. Wir hatten keinen.


Sie möchten es selbst einmal wagen?

Frida Kahlo, Lychener Str. 37, Prenzlauer Berg, Tel. 4457016, www.fridakahlo.de

Sie glauben mir nicht?

Tagesspiegel: “Arrrrgh! Der Oskar für den grottenschlechtesten Service geht an das mexikanische Restaurant Frida Kahlo.”

Filed Under: Berlin, Kommentar