Es gibt Bücher, um die man sich drückt, sie zu lesen. Ich hätte gern “zeitlebens” geschrieben, doch dafür fehlt es sowohl an Reife als auch an Durchhaltevermögen, denn eines dieser Bücher liegt hämisch grinsend auf dem Schreibtisch und straft jegliche Versuche, der Er-Lesung mit Rückschlägen unterhalb der Gürtellinie und oberhalb der Vorstellungskraft.
Versuch Nummer 1: Zufälliges Aufschlagen von Seite 206. Man kann ja mal einen Blick reinwerfen:
Zum masochistischen Körper: man kann ihn vom Schmerz aus nicht richtig verstehen, er ist in erster Linie eine Angelegenheit des oK; er läßt sich von seinem Sadisten oder seiner Nutte die Augen, den Anus, die Harnröhre, die Brüste und die Nase zunähen, er läßt sich aufhängen, um die Funktion der Organe zu stoppen, die Haut abzuziehen, als ob die Organe an der Haut hingen [… der Ende des Satzes wird aus vorgeschobenen Pietätsgründen dem eifrigen Nachschlagen überlassen].
Nun gut. Das war unterhalb der Gürtellinie. Eine Stunde Pause und der mutig-konstervative Versuch Nummer 2, einfach bei der Einleitung zu beginnen:
Wir haben den Anti-Ödipus zu zweit geschrieben. Da jeder von uns mehrere war, ergab das schon eine ganze Menge. […] Warum wir unsere Namen beibehalten haben? Aus Gewohnheit, aus bloßer Gewohnheit. Um auch uns selbst unkenntlich zu machen.
Das unfaire an dieser Situation: Man darf nicht zurückschreiben. Oder streichen wir einen Buchstaben: zurückschreien. Bitte, nicht weiter. Noch einmal. Anders, aber genau so.
… und ich bin seit Oktober auf Seite 10.
Immerhin. Nach der Notwendigkeit habe ich das Buch in drei Stunden durchgearbeitet, angestrichen, markiert, zitiert und all die anderen üblichen Techniken daran durchexerziert. Ob ich es jetzt mehr mag, vermag ich kaum zu sagen.