Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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Weil Gehirne doof sind: einfach öfter »Danke!« sagen

22. Februar 2016 by leitmedium

Endlich wieder auf „Veröffentlichen“ geklickt. Es tut so gut, Text fertig zu schreiben und sie anderen zu zeigen. Irgendwann bin ich auch auf den Trichter gekommen, dass es nicht wichtig ist, ob zehntausende Menschen einen Text lesen. Das Netz macht mit seinen theoretischen Zugriffszahlen manchmal blind für die Bedeutung kleiner Zahlen. Wenn da so ein Blog-Post ist, den nur ein paar hundert Menschen lesen, stelle ich mir vor, diese Menschen stünden alle vor mir. Ich muss dann immer an meine Schule denken und dass wir vielleicht 600 SchülerInnen hatten. Damals haben nur ein paar Lehrer meine Texte gelesen. Weil sie es mussten und dafür bezahlt wurden. Wenn es im Netz nur wenige Menschen tun, ist das immer noch der ganze Schulhof. Die meisten auf dem Hof sagen nichts zum Text, ein paar zeigen kurz mit dem Daumen nach oben und wenige geben im Vorbeigehen einen Kommentar ab.

Dieses kurze Feedback macht Mut für den nächsten Text. Oder zerstört ihn. Oh mein Gott, jemand hat etwas Kritisches gesagt! Das kann einem wirklich den gesamten Abend versauen. Du schreibst einen Text, hunderte oder tausende Menschen lesen ihn. Viele schweigen, einige geben irgendwelche Daumen oder Herzen und dann kotzt Dir einer drei Sätze ins Kommentarfeld. Das macht Dich dann fertig, obwohl Du weißt, dass Du negative Kommentare viel zu wichtig nimmst. Weil Dein Gehirn ihnen mehr Bedeutung gibt. Das ist so scheiße ungerecht vom Gehirn. Dir und anderen gegenüber. Ey, Gehirn, reiß Dich zusammen und sieh mal die Fakten: Hundert Personen hat der Text gefallen, einer nicht. Rückmeldung vom Gehirn: »Sorry, Psychozeug, kann ich nichts machen.« Danke für nichts.

Was tun? Neben mantraartigem „aber Hundert hat er gefallen“ ist mir bewusst geworden, wie unglaublich dankbar ich für positives Feedback bin. Diese kurzen Texte, die etwas mehr als ein Daumen hoch sind, lassen dann irgendwann doch die wenigen negativen Textfetzen nicht verschwinden aber verblassen. Und was kann ich dafür tun? Ich kann mich mehr dazu motivieren, selbst danke zu sagen. Für dieses Jahr habe ich vorgenommen, mich jede Woche explizit bei einer Person für einen Text, ein Foto oder ein Video zu bedanken. Das klingt ein wenig Beamten-mäßig, aber so vergesse ich es wenigstens nicht. Keine epischen Dankesreden – einfach ein Feedback. Einmal die Woche. Mindestens. Ich mache das viel zu wenig, dabei atme ich es selbst so gern ein. Wenn ich es öfter mache, vielleicht verhindere ich bei anderen einen miesen Abend. Das wär‘ doch was.

Bildnachweis: Public Domain auf Pixabay

Filed Under: Allgemein

Comments

  1. Nico Hagenburger says

    22. Februar 2016 at 15:08

    Danke, @leitmedium! twitter.com/leitmedium/sta…

  2. Rochus Wolff says

    22. Februar 2016 at 15:15

    @leitmedium Danke!

  3. Jannis says

    22. Februar 2016 at 15:23

    @leitmedium Das war schön zu lesen. Danke.

  4. Casi says

    22. Februar 2016 at 15:25

    Ja, dann mal: Danke… (und jetzt schnell zurück zur Statistik 🙂 ).

    Viele Grüße
    Casi

  5. Carline Mohr says

    22. Februar 2016 at 15:27

    <3

  6. Andrea Pawlowski says

    22. Februar 2016 at 15:29

    Danke 🙂

  7. Maxim Loick says

    22. Februar 2016 at 15:37

    Freundlichkeit bewirkt so viel Gutes <3 (und ist eigentlich so einfach).

  8. Jürgen says

    22. Februar 2016 at 15:57

    *Daumen hoch* 😉

  9. ronsens says

    22. Februar 2016 at 15:58

    @leitmedium nur weils heute auch mir übern Weg lief “Dankkultur bringt es nicht.” sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen… (nicht ganz meine Meinung)

  10. zentakel says

    22. Februar 2016 at 15:58

    Klingt gut. Ich denke, ich werde dem in Zukunft gleich tun. Danke für die Idee!

  11. Tobias Mathes says

    22. Februar 2016 at 16:01

    Ich schreibe als Ventil für meine Gedanken und freue mich über jeden weiteren Menschen den ich damit helfen konnte. 🙂 Ich finde Deine Texte größtenteils super, wenn nicht dann meistens weil ich anderer Meinung bin und verzichte dann aufs trolling. 🙂

  12. leitmedium says

    22. Februar 2016 at 16:04

    @ronsens Intellektuelles Understatement. Pah. 🙂

  13. Lucie says

    22. Februar 2016 at 16:37

    @leitmedium Schöne Idee <3

  14. Laura says

    22. Februar 2016 at 16:49

    Hah!
    Ich komme gerade vom Spazierengehen, zwischendrin haben wir in einem kleinen Café in der Pampa Kuchen (eher Teig mit viel, viel Sahne) gegessen. Beim Weggehen habe ich nochmal kurz meinen Kopf in die Küchentür gesteckt und mich für den großartigen Kuchen bedankt.
    Und dann haben wir auf den nächsten Metern über Feedbackkultur gesprochen. Weil diese kleinen Gesten so wichtig sind.

    (Abgesehen von der reinen “Nettigkeit” ist es ein psychologischer Fakt, das Lob mehr bewirkt als Kritik.)

  15. Susanne says

    22. Februar 2016 at 17:06

    Danke, mein Herz

  16. Steve Rückwardt says

    22. Februar 2016 at 17:26

    Ich bin da voll und ganz Deiner Ansicht. Es ist ein Grund warum ich in den letzten Wochen auch bei YouTube mehr kommentiere, auch wenn es nur ein kurzes “tolles Video” ist. Und auch ein Grund, warum es – gerade bei kleineren Blogs, YouTube Kanälen etc. auch die Sachen vermehrt teile.

    Ein “Schulterklopfen”, im Sinne von “super, gefällt mir”, kostet kaum Zeit aber tut soooo viel für diejenigen, die etwas geschaffen haben. Sei es ein Bild, ein Text, ein Video…was auch immer.

    Danke, das Du es zusammengefasst hast. 🙂

  17. Nise Wilkiway says

    22. Februar 2016 at 17:44

    🙂

  18. Julia says

    22. Februar 2016 at 18:30

    Da lasse ich direkt ein Danke hier!! Meine Texte lesen tatsächlich nur wenige und wenn ich überhaupt Feedback bekomme, freue ich mich so dermaßen! Deshalb versuche ich so viel wie möglich zu linken, kommentieren, teilen…
    Jetzt werde ich wieder noch öfter daran denken.
    Ich lese hier sehr gerne!!
    Danke.

  19. Pöbelschwester Lara says

    22. Februar 2016 at 19:22

    @leitmedium voll die gute Idee.

  20. Sabine says

    22. Februar 2016 at 21:14

    Das kann ich so gut nachvollziehen. Danke für den Beitrag 🙂

  21. Laura Sophie Dornheim says

    22. Februar 2016 at 21:16

    Danke Dir!

  22. Dirk Henkel says

    22. Februar 2016 at 23:14

    @leitmedium Menschlich, ehrlich, mit Herz – solche Stimmen haben wir so nötig! Ein ganz großes “Danke!” für diesen Text!

  23. nk says

    23. Februar 2016 at 18:36

    Ich persönlich finde einsilbige “Danke”-Kommentare, die der Artikel natürlich geradezu provoziert hat, ja irgendwo Blödsinn. Es mag positives Feedback sein, aber es unterstützt keinen Diskurs, setzt sich nicht kritisch auseinander. Dann lieber flattern oder den Artikel bei Twitter teilen, meinetwegen dort mit einem kurzen Dankeswort. Das unterstützt den Autor wirklich und zwingt den Leser nicht, sich durch hunderte Einzeilerkommentare wühlen zu müssen, in der Hoffnung, auf jemanden mit einer echten inhaltlichen Ergänzung zu treffen.
    (btw. fällt mir das Phänomen “Punkt.”, “Danke” oft störend bei Genderthemen und – sorry für das Wort – “Frauenblogs” auf)

Trackbacks

  1. konsumiert #14 | steve-r.de sagt:
    29. Februar 2016 um 0:43

    Ein Auszug meines Medienkonsums der KW8/2016.
    Gelesen
    Weil Gehirne doof sind: einfach öfter »Danke!« sagen
    Ich habe nichts gegen Kinder, nur nicht hier II
    Gehört
    TA028 – Öffentliche Sitzung am 18.02.2016
    Any065 – Oznean der Leidenschaft
    LNP173 Rentable Sicherheit
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