Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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Lost in Legacy – Das MacBook von 2007 entstaubt

11. September 2015 by leitmedium

Ich sitze gerade in unserem kleinen Landhaus und warte auf einen Handwerker, der sich stilsicher verspätet. Es ist kalt, das Internet ist langsam und ich habe Langeweile – ideale Gelegenheit, mein schwarzes MacBook aus dem Jahr 2007 auszupacken und zu gucken, was sich damit noch so anstellen lässt.

Ich bin beim Einschalten irritiert, als ich das DVD-Laufwerk rattern höre. »Achja, optische Laufwerke«, denke ich. Der Lüfter springt an und macht klopfende Altersgeräusche, bis er sich nach ein paar Minuten beruhigt hat. Ich wundere mich kurz, wofür eigentlich diese vielen Anschlüsse an der Seite waren. Heute gibt es ja bestenfalls nur noch einen.

Der Rechner springt sonst flott an und ich kann mich einloggen. Bzw. brauche ich einige Zeit, denn ich kann mich zuerst nicht an das Passwort erinnern. »Du weißt es«, habe ich mir als Hilfetext in OS X hinterlegt. Na, danke. Nach etlichen Fehlversuchen macht es »Klick« und erinnere mich an das Passwort. So würde ich das heute auch nicht mehr verwenden

Der Bildschirm-Hintergrund. Hach. Was sich einst modern anfühlte, sieht jetzt schön retro aus. Dabei ist es nicht einmal zehn Jahre her, dass ich täglich diesen farblich überdrehte Aufnahme des Weltalls sah.

»Was brauche ich eigentlich auf einem Rechner, um halbwegs damit arbeiten zu können?«, überlege ich. Einen funktionierenden Browser, ein Terminal, Spotify, einen Passwort-Manager und ein, zwei Text-Editoren.

Ich starte den App-Store und stelle fest, dass OS X 10.6 Snow Leopard installiert ist. Es könnte schlimmer sein. Ob ich meinen »MobileMe«-Account jetzt konfigurieren möchte, fragt mich das System. »Hihi, heute wie damals nicht«, denke ich und klicke den Dialog weg. Wobei es fast interessant wäre, was dann geschieht. Gibt es MobileMe eigentlich noch?

Im App Store wird es kniffliger, als ich gedacht habe. Ich versuche als erstes, 1Password zu installieren, um Zugriff auf meine Kennwörter zu erhalten. Leider läuft die App-Store-Version nur unter OS X 10.10 Yosemite. Das ist illusorisch.

Scherzeshalber probiere ich, OS X 10.10 runterzuladen, werde aber informiert, dass ich dies nicht installieren könne. Ich klicke die ganzen alten Versionen rückwärts durch: 10.9 Mavericks, 10.8 Mountain Lion … und lande schließlich bei 10.7 Lion, das sich zumindest laden lässt. Über LTE bei schlechtem Wetter auf dem Land wird das längere Zeit dauern. Morgen ist ja auch noch ein Tag.

Auf der 1Password-Seite lerne ich, dass ich immerhin 1Password 3 installieren könne. Ich lade es direkt runter und installiere es. Nun brauche ich Zugriff auf meine Dropbox, um an die gesynchte Passwort-Datenbank zu bekommen. Runterladen, Installieren und Einrichten von Dropbox läuft ohne jegliche Probleme. Ich bin froh, dass Dropbox mittlerweile direkt beim Start fragt, ob man nur einige Ordner Synchronisieren möchte. Ich wähle nur 1Password aus.

Der Versuch, die aktuelle 1Password 4 Datenbank im installierten 1Password 3 zu laden, schlägt natürlich fehl. Ich bin etwas enttäuscht, dass 1Password 3 nicht einmal erkennt, dass es sich um eine aktuellere Datenbank handelt, sondern sie schlicht für defekt hält. Im Netz finde ich auf die Schnelle keine Möglichkeit, ohne Zugriff auf ein 1Password 4 die Daten zu konvertieren. Ich werde mir also später eine Kopie der Daten exportieren, so dass ich auf dem Laptop zumindest eine nicht aktuelle Version meiner Passwörter habe. Besser als nichts. Ich trauere zugleich dem mite Passwort-Manager nach, der in Kürze abgeschaltet wird. Wahrscheinlich hätte er in Chrome funktioniert.

Apropos Chrome: Der installierte Safari ist leider eine Zumutung. Viele Webseiten gehen nicht richtig, zum Beispiel twitter.com, wo ich den Dialog zum Senden eines Tweets nicht geöffnet kriege. Es gibt auch keine Fehlermeldung. Es passiert einfach nichts beim Klicken. Schade. Ich überlege, ob ich so retro-mäßig Opera runterlade, der aktuell ist, aber Ressourcen-schonend sein soll. Zügig ist er geladen, doch dann teilt mir OS X mit, dass ich den Installer nicht starten kann. »Reife Leistung«, denke ich. Immerhin hätte mir die Webseite schon mitteilen können, dass mein System zu alt ist. Auch finde ich auf der Opera-Seite keinen »old version«-Bereich oder ähnliches.

Also weiter zu Chrome. Ich vermute, dass es hier ähnliche Probleme geben wird. Aber nein: Die Webseite zeigt mir die richtige Version für OS X Snow Leopard an. »Geht doch!«, denke ich und finde es ein bisschen schade, dass mal wieder Google den Karren aus dem Dreck zieht. Chrome ist relativ schnell installiert und… funktioniert! Ich melde mich im Browser mit meinem Google-Profil an und nach und nach werden meine Standard-Einstellungen und -AddOns ausgerollt.

Mein Standard-Termin iTerm2 lässt sich problemlos runterladen, installieren, und starten. Fehlen noch Musik und Textverarbeitung.

Spotify lässt sich überraschenderweise einfach installieren und spielt Musik ab. Ich bin erstaunt, wie gut die Boxen an dem acht Jahre alten Rechner sind.

Schwieriger wird es bei der Textverarbeitung. Mein Lieblings-Editor iA Writer lässt sich nur mit OS X 10.10 installieren. Das ist insofern blöd, als ich da auch Textentwürfe drin speichere und synchronisiere. Auf diese habe ich also hier keinen Zugriff. Auch Ulysses lässt sich nicht runterladen. Dass ausgerechnet das Bearbeiten von Texten zum Problem wird, hätte ich nicht erwartet. Dieser Text entsteht einfach mit vim auf der Konsole. Vielleicht setze ich einfach wieder verstärkt quabel.com ein – ein praktischer Online-Editor, der simplen Tools wie iA Writer sehr ähnelt.

Nach einer halben Stunde bin ich gefühlt wieder im Jetzt angekommen. Ich habe einen aktuellen Browser, womit so ziemlich alle wichtigen Dienste erreicht werden können. Ich kann Musik hören und auf der Kommandozeile im Notfall meiner Arbeit nachgehen. Meine Dropbox ist eingerichtet und ich komme an alle wichtigen Daten. Nur das komfortable Schreiben von Texten und der einfache Zugriff auf 1Password fehlen noch. Fürs Schreiben gibt es diverse Alternativen und wenn alle Stricke reißen, muss ich die 1Password Daten einfach immer auf dem iPhone nachschlagen.

Ich drehe die Musik etwas lauter und schaue etwas verliebt auf den alten Rechner. Wir haben schon viel erlebt zusammen und jetzt stehen uns noch weitere Jahre bevor. Wenn das Update auf OS 10.7 durch ist, wird sich vielleicht noch die ein oder andere App mehr installieren lassen. Es ist eigentlich nur schade, dass Apps, die ich im Laufe der Jahre über den App Store gekauft habe und die vor Jahren liefen, durch Aktualisierungen nicht mehr verfügbar sind. Ich würde mir wünschen, hier Zugriff auf alte Versionen zu bekommen. (Vielleicht geht das ja auch und jemand kann mir verraten, wie?)

[Update]

Es gab einen Hinweis, dass zumindest neuere Versionen von OS X auch ältere Apps aus dem App Store laden können (sic):

https://twitter.com/bildstrich/status/642338982517469184

Filed Under: Allgemein

Comments

  1. Florian Blaschke says

    11. September 2015 at 15:44

    @leitmedium Ich vermisse die schwarzen Apple-Geräte.

  2. Koray says

    11. September 2015 at 15:48

    @leitmedium uh, os x leopard?

  3. Michél says

    11. September 2015 at 15:51

    @leitmedium *_* das kleine schwarze

  4. MacSnider says

    11. September 2015 at 15:55

    Unter iOS gibt es die Funktion dass automagisch immer die letzte komatible Version einer App geladen wird, ob es das bei OS X auch gibt weiß ich nicht(s von).
    Mobile Me gibt es nicht mehr.

    • ccm says

      11. September 2015 at 21:02

      Ja, scheint es erst ab einer neueren OS X Version zu geben, wenn ich das richtig verstanden habe.

  5. leitmedium says

    11. September 2015 at 16:08

    @trotzendorff Ja, waren hübsch.

  6. leitmedium says

    11. September 2015 at 16:08

    @iOSKoray Genau 🙂

  7. Bildstrich says

    11. September 2015 at 16:08

    @leitmedium ich erinnerte mich mal was gelesen das man alte versionen installieren kann. Hilft dir leider nicht -.-


  8. leitmedium says

    11. September 2015 at 16:08

    @macsnider kann man immer tragen 🙂

  9. leitmedium says

    11. September 2015 at 16:09

    @bildstrich aber dennoch interessant, danke.

  10. Christoph says

    11. September 2015 at 16:54

    Für Chrome gibt es die “1Passwordanywhere Extension”, die auch ohne installiertes 1Password funktioniert. Im Chrome Store unter https://chrome.google.com/webstore/detail/1passwordanywhere-extensi/mbgijoecaafppmdmlgjpahfhekafldfj

    Ob man dem Teil Zugriff auf seine Datenbank geben möchte, ist aber eine andere Frage.

    • ccm says

      11. September 2015 at 21:02

      Huch, das ist ja merkwürdig. Sehe ich mir an, danke für den Hinweis!

  11. Niels K. says

    11. September 2015 at 21:05

    In der Verwandtschaft ist ein solches Gerät (in weiß) noch täglich im Einsatz. Btw. ich mag die vielen Ports an meinem Gerät und bin froh über die zusätzlichen Ports an der Dockingstation und brauche auch regelmäßig das optische Laufwerk (für DVDs und vereinzelt Computerspiele aus der Bücherei)

  12. Jürgen Bo. says

    12. September 2015 at 10:24

    @leitmedium Wir nutzen darauf Office2011, läuft und läuft und läuft. Bean bean-osx.com/Bean.html sollte es auch noch packen

  13. (╯°□°)╯︵ bɟdɯɐʞ says

    13. September 2015 at 22:22

    @leitmedium texteditoren gibts hier in übersicht: mac.appstorm.net/roundups/produ… alte versionen vieler programme hier: oldversion.com.de/mac/ 😉