Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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Bei 75% mobilem Traffic auf Blogs/Newsseiten sollte man das Design komplett überdenken

24. August 2015 by leitmedium

Wenn Du diesen Blog-Post liest, steht die Chance 3:1, dass Du es auf dem Smartphone tust. Doch von vorn: In den letzten Monaten bin ich immer wieder über eine Zahl gestolpert, die mich zum Nachdenken gebracht hat: der Anteil der mobilen NutzerInnen auf Webseiten. Durch meine Arbeit habe ich Einblick in die Statistiken großer Webseiten wie moviepilot.com: Anteil mobiler Clients: 76% (plus 6% Tablets). Nehme ich das Blog von fraumierau: 68% mobile Clients (plus 6% Tablets). Sehe ich mir mein gerade gestartetes Blog vier plus eins an: 74% mobile Clients (plus 10% Tablets). Egal, wo ich hinsehe, die Seitenzugriffe durch mobile Endgeräte übersteigt die von Desktop-Clients drastisch. Das Web ist an manchen Orten sehr mobil geworden. (Das gilt nicht für alle Webzugriffe, denn da liegt der Durchschnitt in Deutschland bei 22%).

Ich bin auf dieses Problem noch einmal aufmerksam geworden, als ich mich mit der viel herumgereisten Katharin Tai in meinem Podcast Leitmotiv unterhielt. Sie erzählte, wie man in China nicht verstehe, worum es geht, wenn zum Beispiel europäische Firmen mit “mobile first” pitchen. Denn der Desktop wird dort kaum noch mitgedacht. Auch hierzulande hat sich diese Nutzung längst eingeschlichen und vielen ist es bewusst – vielen aber auch nicht. Meine Beobachtung – auch an mir selbst – ist, dass wir im News- und vor allem Blog-Bereich noch immer vom Desktop her denken: Wir richten am Laptop sitzend ein Blog ein, wählen ein Theme aus, schreiben einen Text. Dabei sind es gerade diese Arten von Inhalten, die man auf dem Smartphone liest – auf dem Sofa, in der Bahn oder (hust) auf der Toilette (dazu an anderer Stelle mehr).

Normale Desktop-Ansicht:

Das funktioniert auch alles ganz gut und mittlerweile gibt es viele “responsive” Themes, die sich der Größe des Bildschirms anpassen, kleine Devices also zumindest berücksichtigen. Doch diese Themes sind oft ein Kompromiss. Sie sind zumeist für die Desktop-Nutzung optimiert und nur relativ gut darin, bei kleinem Bildschirm alles so zurechtzurucken, dass man durch vertikales Scrollen navigieren kann. Ein Beispiel, dieses Blog:

“Gestauchte” Ansicht:

(Wenn Ihr das mit Eurem Blog am Rechner ausprobieren wollt: vergrößert und verkleinert einfach Euer Browser-Fenster in der Breite.)

Diese responsive Themes sind oft nicht wirklich mobil. Sie sind nur eine “hey, es geht auch auf dem Smartphone!”-Zwischenlösung. Für mich fühlt sich das zunehmend verkehrt an und ich merke, wie hier langsam die LeserInnen an einem vorbeiziehen. Man sollte nicht den Fehler machen und eine Webseite oder einen Blog betreiben, der von den NutzerInnen völlig anders konsumiert wird, als man selbst es wahrnimmt. Nur weil ich die Texte am Laptop schreibe, sollte ich nicht außer Acht lassen, wie meine Inhalte hauptsächlich rezipiert werden. 

Wenn man den Web-Zug einer nachwachsenden Leserschaft, die es gewohnt sind, mit dem Smartphone Texte zu lesen, nicht an sich vorbeiziehen lassen möchte, sollte man sich selbst dazu bewegen, auch die eigene Seite regelmäßig so zu benutzen oder zu zumindest zu kontrollieren. Und dabei nicht in die “na es geht doch”-Falle zu tappen, sondern auf ein “Meine Seite geht mobil – nett, wenn sie auch auf dem Desktop gut geht” zu wechseln. Aus “mobile first” sollte ein “Desktop, too” werden (und so ist “mobile first” auch eigentlich konzipiert gewesen). Wenn wir beim Bloggen bleiben, hier ein Beispiel: Das responsive Theme dieser Seite auf dem iPhone neben einem echten mobilen Theme. Es ist klar zu erkennen, wie der Platz auf der rechten Seite deutlich besser genutzt wird. Es ist nicht unbedingt eine Schönheit, aber es funktioniert spürbar besser mit einer Touch-Screen-Steuerung und kleinem Bildschirm:

Ich habe damit begonnen, meine Seiten auf mobile Themes umzustellen. Für WordPress gibt es zum Beispiel ein Plugin, das mobilen NutzerInnen eine eigene Seite präsentiert, während man auf dem Desktop weiterhin das Standard-Theme sieht. Gute Zwischenlösung, wenn auch mit etwas Fummelei verbunden. Zwischendrin versuche ich sogar, einzelne Blogposts komplett mit dem iPhone zu posten. Das tut ein wenig weh, aber man entwickelt ein gutes Gefühl für einen “mobilen Workflow”. Das kann durchaus Impulse für andere Inhalte geben (zum Beispiel den schnellen Post von unterwegs).

p.s.: Wenn Ihr wissen wollt, wie hoch der Anteil Eurer mobilen NutzerInnen ist, geht in Google Analytics auf “Zielgruppe > Mobil > Übersicht”. Andere Web-Statistiken bieten sicher ähnliche Übersichten.

p.p.s.: Nur damit kein Missverständnis entsteht: Es gibt Webseiten mit hohen und es gibt Webseiten mit niedrigem mobilen Traffic. Die PDF-Formulate irgendwelcher Ämter werden wohl eher am Desktop ausgefüllt, “snackable Content” wie Blogs und News werden gern auf mobilen Devices gelesen und geteilt.

[Nachtrag]

Es gab einige berechtigte Kritik an der Ästhetik des vorgestellten mobile Themes. Das ist natürlich eine Geschmacksfrage und ich bin zur Zeit eher pragmatisch, was die Umsetzung eigener Webprojekte angeht. Ich halte schnelles Laden im Browser und gute Sharing-Optionen für deutlich zielführender, als ein aufwändig gestaltetes Theme. In meinem Blog vier plus eins habe ich das mobile Theme (nur mobil sichtbar) etwas mehr angepasst und bin mit der BenutzerInnenfreundlichkeit zufrieden. Es geht hier aber auch nicht um ein konkretes Theme, sondern generell um den Hinweis, dass man überprüfen sollte, wer eigentlich wie auf die eigene Webseite zugreift und entsprechend die Seite neu zu denken.

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Filed Under: Allgemein

Comments

  1. Robert Haller says

    24. August 2015 at 13:40

    @leitmedium das sieht doch aber pfui aus =( ich find deine responsive Version echt schick, aber dieses standard mobile … schon die Schrift

  2. ◐ Benedict says

    24. August 2015 at 14:10

    @leitmedium Ich verstehe nicht, responsive heißt doch genau, dass die Seite nicht nur gestaucht ist, sondern Platzierung, Menüstruktur, etc.

  3. ◐ Benedict says

    24. August 2015 at 14:10

    @leitmedium Ein separates 0815 Mobile Theme, das nichts mehr mit der Seite zu tun hat, bäh.

  4. Sebastian Simon says

    24. August 2015 at 14:19

    @leitmedium Woher hast du denn den schnieken “Share with Whatsapp”-Button?

  5. leitmedium says

    24. August 2015 at 15:14

    @e2b Ja, ich meinte mit Stauchen auch das lokale Konzentrieren der Elemente, nicht das Verkleinern.

  6. leitmedium says

    24. August 2015 at 15:14

    @_sebastiansimon Das ist ein WordPress-Plugin. Ich musste es aber etwas patchen, weiß nicht mehr warum.

  7. leitmedium says

    24. August 2015 at 15:16

    @e2b »die Seite« gibt es nicht. Aber ja, bei vierpluseins habe ich zumindest ein bisschen gestaltet.

  8. Lucia Hodinka says

    24. August 2015 at 17:30

    @leitmedium auch teil der überlegung: hochkant-videos. querformat-videos nerven mich z.b. am handy, weil ich immer hochkantsperre drin hab.