Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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Re: Berlin kriegt ein “freies” Wlan – Nachtrag nach Gespräch mit Betreiber-Firma

2. Juli 2015 by leitmedium

Vor ein paar Tagen habe ich mich über den erneuten Versuchen der Stadt Berlin echauffiert, mal wieder ein kostenfreies Wlan in der Stadt aufzubauen. Anstoß meiner Kritik war, dass als Partner die “Werbeagentur” abl social federation GmbH ins Boot geholt wurde und die Zugänge durch Werbung gegenfinanziert werden soll.

Nach meinem Artikel hat sich der stellvertretende Geschäftsführer der abl social federation GmbH bei mir gemeldet und wollte ein paar Fakten richtigstellen, die in der Presse bisher entweder nicht oder falsch dargestellt wurden. Da einige vielleicht an den Hintergründen interessiert sind, habe ich mir (in Absprache) ein paar Notizen zum Projekt gemacht:

Handling

Die Handhabung des Wlans wird klassisch ablaufen: Nach Verbinden mit dem Wlan sieht man eine Willkommensseite, stimmt den AGBs zu und sieht einen Videowerbespot. Die Spots werden vier bis sechs Sekunden lang sein.

Technologie

Für das Projekt werden Cisco-Router verbaut. Wahrscheinlich kommen zum Beispiel MR66 Wlan-Router zum Einsatz. Die Geräte sind für den Außeneinsatz entwickelt worden. Geplant ist eine Anfangsinvestition von ungefähr 500.000 Euro.

Abdeckung und Werbe-freie Zonen

Es gibt eine etwas komplexere Absprache mit der Stadt, wo Router aufgestellt werden und wo Werbung geschaltet wird, bzw. geschaltet werden darf. Geplant ist zum Beispiel an über 100 öffentlichen Gebäuden wie Rathäusern und Jugendämtern, aber auch Kulturgebäuden wie Bibliotheken Wlan anzubieten. An diesen wird es teilweise keine Werbung geben, da dies nicht mit dem jeweiligen Setting vereinbar ist (z.B. Videowerbung in der Bibliothek oder thematisch unpassende Werbung im Jugendamt). Die Verhandlungen mit den Institutionen dauern noch an, so dass wohl im September mit der Umsetzung des Projekts begonnen wird.

Werbedeals und lokaler Fokus

Da die Wlan-Zugangspunkte lokalisiert sind, setzt man auf lokale Werbekunden, also zum Beispiel auf Geschäfte und Restaurants aus der jeweiligen Umgebung. Es wird natürlich auch klassische Werbekunden (wie zum Beispiel Payback) geben.

 

Meine Kritik an der Stadt Berlin muss ich an dieser Stelle nochmal klarer trennen von einer Kritik am zukünftigen Betreiber. Meine Enttäuschung richtet sich vor allem gegen die Stadt, die seit Jahren das Projekt freies Netz nicht auf die Reihe bekommt, aber immer wieder versucht. Die Entscheidung für eine Agentur mit Werbe-Hintergrund halte ich nicht für den politisch richtigen Weg.

Die bisherigen Projekte der abl social federation GmbH  lassen aber vermuten, dass sie ein Projekt dieser Größe durchaus stemmen kann. Ich hätte nur gern ein Wlan ohne Video vorab als “Weltstadt” präsentiert. Aber den fahrscheinlosen Nahverkehr haben wir ja auch (noch) nicht. Immerhin wird es einige Wlan-Punkte ohne Werbung geben. Das ist ja ein Anfang.

 

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