Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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+++ EIL +++ Links vom 13.04.2015: Lena Meyer-Landrut, BREAKING Tod, viral geht auch in der Nische: Steller +++

13. April 2015 by ccm

1. Interview mit Lena Meyer-Landrut

Im ZEIT Magazin ist ein längeres Interview mit Lena Meyer-Landrut erschienen. Mich hat der Text sehr berührt. Die Fragen waren vorsichtig formuliert, Lena Meyer-Landrut antwortete sehr offen. Ein sympathischer Einblick in die Gefühlswelt zwischen Hype und Gegenwind.

2. +++ EIL +++

Heute überschlugen sich wieder die Eilmeldungen: Günter Grass ist gestorben. Mir geht das “+++ EIL +++” in den Todesfällen wie diesen mittlerweile tierisch auf die Nerven. Grass ist gestorben. Das macht einige Menschen betroffen, andere nicht. Das Mitgefühl gilt seinen Angehörigen und Menschen, die ihm nahestanden. Doch wo ist der “EIL”-Wert eines Todesfalls, wenn ein fast 90jähriger Mensch gestorben ist, der schon länger nicht mehr im täglichen Mittelpunkt der Berichterstattung steht? Der BREAKING-Aspekt dieser Nachrichten stammt nur inhärent aus den Nachrichten selbst.

Ich tappe natürlich auch in die Falle, fünfundzwanzig EIL-Links zum selben Thema anzuklicken, die alle genau das selbe offenbaren, nämlich: nichts. Da steht dann gern mal ein Satz auf der Seite (“Näheres folgt in Kürze”). Angeteasert wurde dieser Roman mit einem Tweet. Dann klickt man drei oder vier solche “Artikel” an und wünscht sich seine Lebenszeit zurück.

Vor kurzem hatte ein Schüler nach dem Flugzeugabsturz am 24. März berichtet, wie seine Schule und Stadt von JournalistInnen belagert wurden. Als strukturellen Ausweg wünschte er sich, dass sich die Vor-Ort-Berichterstattung auf wenige zentrale Nachrichtenagenturen beschränke:

Reicht es denn nicht theoretisch, wenn nur 4 Kameras vor Ort sind? Etwa die ARD für die ersten, zweiten und dritten Programme, die dpa sowie Reuters für private Sender und die Lokalzeitung? Das Bildmaterial hinter der Absperrung ist im Prinzip das Gleiche – und hier kommt dann aber das unbeschreiblich Böse ins Spiel.

Ich frage mich zunehmend, ob das nicht auch ein Weg aus der unendlichen Langeweile ist, die sich im Ticker-Wettrennen der Online-Portale breit macht. Es wirkt ökonomisch für LeserInnern und JournalistInnen ineffizient, die selben Fakten im Wettrennen zu präsentieren. Wirklich interessant sind die später erscheinenden Artikel, die das Geschehene einordnen. Wer heiße News will, gehe doch bitte auf dpa.de. Den Rest gibt es dann in Langform, zum Beispiel in der Zeit, der Süddeutschen oder Spiegel Online. Schnelle News sind wie das Leitungswasser des Netzes. Sie werden gebraucht, aber niemand schreit jeden Morgen: “Oh, es kommt Wasser aus der Leitung!”

Ich habe anlässlich der vielen “+++ EIL +++”-Meldungen heute nochmal nachgefragt, woher genau das Plus-Zeichen stammt. Die Antwort kam prompt: Peter Glaser hat sie bereits in einer kurzen Medienhistorie des Tickerwalds notiert. STOP.

3. StellerApp

Ich spiele weiterhin mit der StellerApp rum. Sie entpuppt sich als ein Klassentreffen von Instagram-affinen Menschen, die gerne kurze Geschichten erzählen wollen. Meine gestern gepostete Storie unter dem Hashtag #seewhatisee, was eine Art Tagebuchformat ist, lief heute für Steller-Verhältnisse viral. Das bedeutet, sie wurde vielleicht ein oder zwei Dutzend mal gerepostet, über hundert mal gefavt und mehr als 250 mal angesehen. Dazu bekommt man etwas überraschend ständig Mails im Stile “Congratulations, your story passed 250 views”.

Die Zahlen sind mit viralen Zahlen aus Facebook und Instagram natürlich nicht zu vergleichen. Es zeigt sich jedoch eine sehr freundliche Foto-affine Community, die dankbar ist für die geteilte Liebe zu Momentaufnahmen. Wenn man es als Mini-Foto-Blog betrachtet, ist es ein durchaus attraktives kleines Format, in dem man noch einmal andere Akzente setzen kann als zum Beispiel auf Instagram.

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