Heute protestieren tausende Taxifahrer in Europa gegen Uber. Damit thematisieren sie ungewollt den unvermeidlichen Untergang ihres Berufs. Das ist traurig, aber es ist so. Wir werden auch in Zukunft gefahren. Nur nicht mehr von Menschen.
Es ist erstaunlich viel Bewegung im Taxi-Markt (drumroll). Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass dieser finanziell zunehmend wenig ertragreiche Beruf noch einmal Raum für aggressiv geführte “Taxi Wars” bietet. Einer der Protagonisten in diesem “Krieg” ist Uber, gegen das heute tausende Taxifahrer europaweit protestieren. Uber ist einer von mehreren Anbietern, die per Smartphone-App Taxi-ähnliche Fahrdienste vermitteln. Durch finanzstarke Investoren und ausgiebige Rechtsberatung bei der Kommunikation der Dienste umschifft man die strikten Regulierungen der Taxibranche. Das stößt dieser verständlicherweise negativ auf. Dabei ist Uber nicht einmal der denkwürdigste Dienst: Seit kurzem gibt es auch Wundercar, in dem Privatpersonen mit ihren eigenen Autos Fahrten anbieten. Kostenlos, sonst wäre es ja eine Taxi-Dienstleistung. Dafür “kann” der Fahrgast am Ende der Fahrt ein freiwilliges “Trinkgeld” geben und Fahrer und Gast bewerten sich gegenseitig. Hust. Netzwertig fasst es zusammen:
Anders als bei Taxis oder elitären On-Demand-Transportdiensten wie Uberverzichtet WunderCar auf eine offizielle Vorgabe von Preisen. Stattdessen überlässt es Passagieren die Entscheidung, wieviel sie für einen Trip bezahlen möchten. Der Dienst bezeichnet dies als “Trinkgeld”, dessen Höhe vom Fahrgast nach einer erfolgten Fahrt in der WunderCar-App bestimmt wird. Als Hilfestellung zeigt die Anwendung das durchschnittliche Trinkgeld an, das andere WunderCar-Nutzer für eine ähnliche Strecke in der selben Stadt gewählt haben. 20 Prozent der Erträge verbleiben bei WunderCar. Mit dem Trinkgeldverfahren scheint der Dienst auch die Bestimmungen des Personenbeförderungsgesetzes umschiffen zu wollen. Dieses untersagt eine kommerzielle Beförderung von Personen ohne Lizenz. Die offizielle WunderCar-Aussage lautet hierzu, dass bei dem Dienst Privatleute aufeinandertreffen, die sich gegenseitig – und unentgeltlich – Mitfahrten anbieten, so wie es auch bei diversen Mitfahrportalen geschehe. Man biete Mitfahrern lediglich eine praktische bargeldlose Funktion, um Trinkgeld zu geben. Dass sich das Startup in juristisch unsichere Gewässer begibt, ist dennoch ziemlich offensichtlich – und sowieso üblich für Services im Sharing-Economy-Bereich.
Das ist ziemlich perfide. Ich hege keine großen Gefühle für die Taxibranche, aber hier wird drastisch an der Preisschraube gedreht – und 20% Provision sind sogar mehr als MyTaxi für seine Vermittlungsdienste nach Protesten maximal veranschlagt. Dabei markiert MyTaxi die andere Front, von der sich Taxifahrer bedroht sehen: Eine einfach zu benutzende Smartphone-App zum Rufen und optional auch Bezahlen von Taxis. Für den Kunden sehr bequem, für Taxifahrer offenbar eine Zumutung. Ich fahre eigentlich gern Taxi und war froh, mit MyTaxi eine gut gemachte App in die Finger zu bekommen. Ich musste mir jedoch bei ausnahmslos jeder über MyTaxi georderten Taxifahrt Wehklagen der Taxifahrer anhören. Die Vorwürfe waren: 1. MyTaxi nimmt zu viel Provision und 2. MyTaxi wähle die Taxis nicht im Interesse der Kunden aus.
Eigentlich will ich nur das nächste Taxi…
Dass MyTaxi zu viel Provision nimmt, ist mir als Kunde erst einmal egal, da es mich persönlich nicht betrifft. Ich gehe natürlich davon aus, mit der Benutzung eines vom Taxi-Fahrer freiwillig genutzten Services, diesen nicht zu schädigen. Ich rufe ein Taxi per App, ein Fahrer kommt. Wenn er dann jammert, bin ich erst einmal verwirrt. Es ist ja nicht so, als gäbe es nur MyTaxi. Eine Taxifahrerin bat mich zum Beispiel, statt MyTaxi doch die App von Taxi.EU zu benutzen. Diese stammt von einem klassischen Taxirufsystem und bietet einen faireren Tarif. Klar, gern. Leider wurde ich beim ersten Benutzen der Taxi.EU-App vom Fahrer beschimpft, dass ich ihn für eine so kurze Strecke gerufen hätte, weil er ja eine Stunde am Taxistand gewartet habe.
Mir platzt selten der Kragen, diesmal war es so weit. Ich war so genervt, von dem ständigen Gejammere, wenn ich als zahlender Kunde in ein Taxi einstieg, dass ich dem Taxifahrer an den Kopf warf, dass genau dieses Verhalten dafür sorge, dass ich lieber in ein Miet-Auto von DriveNow, Multicity oder Car2Go steige. Und so ist es auch. Da muss ich zwar selber fahren, aber wenigstens beschwert sich das Auto nicht über Länge der Strecke oder die Zahlungsmethode. Denn zur Zahlungsmethode ist noch anzumerken, dass ich mehrfach versucht habe, per Kreditkarte mit MyTaxi zu bezahlen, die Taxifahrer aber regelrecht Stunts veranstaltet haben, damit ich doch in bar bezahlte, da MyTaxi offenbar hier nochmal kräftig zulangt. Ich bekam dann rückwirkend stornierte Taxifahrten und abgeschaltete Taximeter zu Gesicht.
Das ist der Algorithmus wo man mit muss
Schwerer wiegt für mich als Kunden der Vorwurf, MyTaxi rufe gar nicht das nächstliegende Taxi, wenn ich eines bestelle. Da gibt es zum einen das umstrittene Gebotssystem, mit dem Taxifahrer vorab festlegen, wie viel Prozent sie an MyTaxi abtreten wollen. Wer mehr zahlt, wird eher gerufen. Doch zu diesem für mich als Kunden nicht optimalen Parameter (ich will das nächste Taxi, nicht den besten Umsatz für MyTaxi) kommt die Eigenschaft “Trägt das Taxi ein MyTaxi-Werbebanner?”. Kein Scherz: Bei der Zuteilung bevorzugt MyTaxi Autos, die MyTaxi-Werbung tragen. Und so wartet man dann auch mal ein paar Minuten länger, damit man beim Einsteigen weiß, worüber man eigentlich gerade das Taxi bestellt hat. Eigentlich ist es sogar noch komplexer, wie MyTaxi auf Twitter bestätigte:
@leitmedium @moeffju @sixtus weitere Kriterien neben Nähe zum Fahrgast: Qualitätskriterien (Erfolgsquote, Bewertung) und Außenwerbung
— FREENOW Deutschland (@FreeNow_DE) May 27, 2014
Eine eigentlich einfache Aufgabe “Besorg mir schnell ein Taxi” wird hier zu Tode optimiert. Kunden finden es doof, Taxifahrer finden es doof. Als Serviceanbieter, der zwischen zwei Parteien vermittelt, sollte man es sich vielleicht nicht mit beiden gleichzeitig verscherzen. Idealerweise bekommt der Kunde davon nichts mit, dann fühlt er sich auch gut, wenn er zwei Minuten länger warten muss. Aber Hand aufs Herz: Manchmal starrt man die MyTaxi-App ungläubig an und versteht nicht, wieso einem mitten in der Innenstadt nur unter scheinbar großen körperlichen Schmerzen ein Taxi vermittelt wird, das gefühlt von der anderen Seite des Äquators kommt. Woran liegt es? 15% geboten, Werbebanner, Bewertungen? Ich gehöre nicht zur Fraktion Algorithmen-nehmen-uns-die-Kekse-weg, aber hier läuft ganz evident etwas falsch. Ich habe die MyTaxi-App gelöscht, weil ich mir irgendwie blöd vorkomme, wenn ich sie nutze.
Und wo bleibt der Protest der Taxifahrer?
Doch was mich eigentlich verwundert, ist die Lethargie der Taxifahrer, wenn es um Proteste geht. Es gibt halbherzige Boykotts gegen den 50Cent Zuschlag in Tegel und angekündigte Proteste gegen ähnliche Regelungen im Märchenschloss-Flughafen BER. Und heute eben Proteste gegen Uber. Doch kein Boykott ist konsequent geführt, wie typische Streikbrecher-Fahrten zeigen. Dabei wäre ein nachhaltiger Boykott gegen MyTaxi kein Wunderwerk: Wenn Kunden über MyTaxi keine Taxis mehr bekommen, wählen sie eben die nächste App. MyTaxi verdankt seine Marktmacht vor allem kooperierenden Taxifahrern. Doch darum geht es auch gar nicht mehr. Dass Taxifahrer sich nicht effektiv organisieren können, ist nur Symptom einer Überforderung in einer technisch veränderten Landschaft.
Und morgen sitzt niemand mehr am Steuer
Ist man ehrlich, zeichnet sich eine endgültigere Entwicklung ab: Mit der Taxi-Branche geht es unweigerlich zu Ende. Angegriffen wird sie auf vier Fronten: Erstens umgehen Anbieter wie Uber die Taxi-Regelungen, zweitens drücken Apps wie MyTaxi die Gewinnmarge, drittens bieten Dienste wie DriveNow preiswerte Alternativen zum Selber-Fahren und viertens: Die Tage des Menschen am Steuer sind gezählt. Gerade erst hat Google sein knuffiges “Self Driving Car” vorgestellt, das schon lang über den Prototyp hinaus ist:
Kurz nach der Vorstellung von Googles Self Driving Car lässt sich Uber-CEO Travis Kalanick zitieren:
Self-driving cars are coming and, when they do, Uber drivers are simply out of luck, the company’s CEO Travis Kalanick said Wednesday at the inaugural Code Conference.
“‘Look, this is the way the world is going,’” Kalanick said would be his explanation to Uber drivers who might lose their jobs down the road. “If Uber doesn’t go there, it’s not going to exist either way,” he said.
“The world isn’t always great,” he added.
Kalanick made a point of saying that he doesn’t envision self-driving cars getting on the road in a meaningful way anytime soon. But he made clear that when that day comes, the upside of Uber using them will be greater than the downside of having to let drivers go. What are the upsides? Less congestion, fewer accidents and a cheaper option than owning a car, Kalanick claims.
Auf netzwertig kommentiert Martin Weigert in einem lesens– oder hörenswerten Text über Roboter:
Die Technologie nähert sich einem Stadium, in dem sie reif für den Praxiseinsatz ist, und die wirtschaftlichen Anreize der Taxi-, Beförderungs- und Busunternehmen liegen auf der Hand. Es ist also komplett vorstellbar, dass die Zahl der Fahrer-Jobs innerhalb der nächsten Jahrzehnte massiv einbrechen wird. Bedenkt man, dass es sich dabei um Tätigkeiten mit einem niedrigen intellektuellen Anforderungslevel handelt, droht hier durchaus eine kleine Katastrophe. Zehntausenden Taxi- und Busfahrern droht mittelfristig die Arbeitslosigkeit.
Uber, das in enger Beziehung zu Google steht, versteht sich selbst als Technologie-Unternehmen. Ein Ersatz sämtlicher Fahrer durch automatisierte Autos ist nur eine Frage der Zeit. Es macht technisch und ökonomisch Sinn. Und da liegt der entscheidende Punkt: Ihren Mehrfrontenkrieg können Taxifahrer auf lange Sicht nicht gewinnen. Weder schaffen sie es, sich überhaupt nachhaltig per Boykott oder Protest geschlossen gegen Uber, MyTaxi und DriveNow zu wehren, noch zeigt die Zukunft generell in eine positive Richtung für den Arbeitsplatz am Steuer. Bis zum vollautomatischen Auto, das effizienter, sicherer und preiswerter fährt, wird die Gewinnmarge bei Taxifahrten weiter sinken. Das vollautomatisch Auto steht zwar nicht morgen vor unserer Haustür, aber die Tage sind gezählt.. Den Beruf Taxifahrer sollte wohl niemand mehr ergreifen. Das ist nicht schlimm. Es wird nur weh tun wie viele andere durch Technik bedingte soziale Änderungen vorher. (Ich bin froh, dass es automatische Webstühle gibt). Vielleicht können wir ja irgendwann etwas mit unserer neuen Freizeit anfangen. Zum Beispiel ein automatisches Auto rufen, das uns ohne zu murren sicher zum Meer bringt.
[Update]
Wie zu erwarten, haben die Proteste dazu geführt, dass sich überdurchschnittlich viele Kunden bei Uber und Wundercar registrieren. Spiegel Online schreibt dazu:
Der Fahrdienst Uber hat nach eigenen Angaben von den Protesten der Taxifahrer gegen ihn und andere Internet-Angebote profitiert. “Wir arbeiten rund um die Uhr”, sagte Europachef Pierre-Dimitri Gore-Coty dem Wirtschaftssender Bloomberg TV. Quer durch Europa habe es sechs- bis achtmal mehr neue Kunden als an gewöhnlichen Tagen gegeben, in Barcelona seien es sogar elfmal mehr gewesen.
Bildquelle: Foto “Taxi” von Moyan Brenn, lizensiert unter CC-BY (nachbearbeitet).
Schöner Artikel. Zu lang, aber beim Uberfliegen ziemlich richtig. Sorry für den Kalauer.
Nur den letzten Gedanken hast Du nicht gedacht! Wenn Autos klug genug sind, um selbst zu Fahren, dann werden sie bald auch solche Artikel wie diesen hier schreiben können, Webseiten bauen, ansprechende Fotos machen, rechtssichere Verträge verfassen und Sex haben (=Roboter und Autos bauen, quasi eine technische Evolution).
Dann sind nicht nur die Taxifahrer überflüssig. Welchen Platz wir dann noch haben… hoffentlich werden uns diese “Maschinen” weiterhin als gleichberechtigte Lebensform akzeptieren und unseren Konsumdrang als ihr Lebensziel annehmen. Denn sonst stehen wir ziemlich dumm da, weil die Maschinen dann besseres zu tun haben, als Platz für die Menschen zu lassen.
Eine Frage: Wer versichert dir das Fahrerlose Auto im öffentlichen Verkehr? wir sind kaum bereit fahrerlose U-Bahnen zu akzeptieren, bei denen die Gefahr das ein Kind unvermittelt auf die Strasse läuft gegen Null geht. Und neulich fuhr ich in einem Aufzug von 1948 der explizit “für den Betrieb ohne Aufzugführer” vorgesehen war.
Jeder Autokonstrukteur kann dich mit Designs für Steer-By-Wire totwerfen, an den Fahrzeugtechnik Fakultäten is das seit Jahren das Thema für die ganz einfallslosen Bachelorstudenten.
Aber trotzdem kommt das in der Realität nicht an .
Und zwar, weil für jede Zeile Code die eine menschliche Handlung ersetzt nicht mehr der Fahrer die Haftung übernimmt, sondern derjenige der den Code geschrieben hat.
Ein autonomes Auto kann sicherlich besser ubd schneller reagieren als ein Mensch. Aber das wird im Ernstfall zu beweisen sein müssen und wenns um Schadensersatzklagen vor allem in den USA geht ist der Preis dafür extrem hoch und wird dann dementsprechend in die haftpflichtversicherung der Hersteller eingepreist werden.
Dazu kommt, dass man bestimmte technische Entscheidungen auch im Ernstfall nicht rückgängig machen kann. Das Steer-by-Wire System im Golf 9 kann man nicht gegen eine mechanische Lenksäule tauschen wenn aufgrund von Bedenken der TÜV die Betriebserlaubnis entzieht.
dann stehen da zwei millionen kunden und sind sauer weil ihr Auto in die Schrottpresse wandert.
Das Problem ist also mal wieder kein technisches sondern ein gesellschaftliches.
Du sprichst mit gesellschaftlicher Akzeptanz und vor allem juristischen (teils ethischen) Fragen wichtige Punkte an. Gerade bei automatisierten Autos wird da noch einiges zu klären sein. Aber wie Du auch selbst schreibst, fährst Du mittlerweile selbstverständlich in einem führerlosen Fahrstuhl. Technischer Fortschritt passiert. Auch wenn er komplexe Fragen aufwirft. Wir diskutieren einige Punkte nochmal neu, die wir vor Jahrzehnten schon anhand anderer Technologien besprochen haben. Andere Punkte sind neu.
Ich halte das voll automatisierte Fahren jedoch für ein so überlegenes Konzept was Ökonomie, Ökologie und Sicherheit angeht, dass es kommen wird.