Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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International Flusser Lectures Day – 30.6.2010 / Berlin

17. Juni 2010 by leitmedium

Per E-Mail erreichte mich gerade folgende Einladung zum “International Flusser Lectures Day”:

International Flusser Lectures Day
Datum: 30.06.2010
Uhrzeit: 15.00
Ort: Aula Haus Salomon, Universität der Künste Berlin, Grunewaldstr. 2-5, 10823 Berlin
Eintritt: frei
Zu Ehren Vilém Flussers – im Mai wäre sein 90. Geburtstag gewesen – veranstaltet das _Vilém_Flusser_Archiv am 30.06.2010 ab 15.00 einen International Flusser Lectures Day. Die International Flusser Lectures sind ein Projekt des _Vilém_Flusser_Archivs, das 1999 an der Kunsthochschule für Medien in Köln von Siegfried Zielinski initiiert wurde und seit 2007 an der Universität der Künste Berlin weitergeführt wird. Mit den Lectures hält das Archiv das geistige Lebenswerk Vilém Flussers und sein anregendes Potential lebendig und setzt es mit aktuellen Entwicklungen der Geistes- und Naturwissenschaften in Beziehung. Erstmals werden drei Vorträge an einem Tag veranstaltet und geben somit den Vortragenden die Möglichkeit zu einem direkten, gegenseitigen Austausch ihrer kultur- und medienphilosophischen Ansätze. Auf diese Weise wird mit dem International Flusser Lectures Day Vilém Flussers Philosophie und seiner Theorie des Dialogs in praktischer Ausführung diesmal besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
Programm
15.00
Claus Pias: Maschinen – Sprachen
Seit 1945 ist Sprache nicht mehr nur Gegenstand der Philosophie und der Linguistik, sondern auch der Informatik. Insbesondere mit der Maschinellen Übersetzung (MT) entstehen dort eigene Theorien von Sinn und Bedeutung, Grammatik, Syntax und Lexik, Weltwissen und Ambiguität. Dabei entsteht zugleich ein Grenzverkehr zwischen Informatik und Philosophie (Ernst von Glaserfeld, Noam Chomsky u.a.) Im Zentrum des Vortrags steht daher die frühe Geschichte der Maschinellen Übersetzung, mit Abstechern zu Computerlyrik, Primatenforschung und anderen vermeintlichen Seitenwegen.
16:30
Nils Röller: Empfindungskörper
Am Rande des Selbstmords entdeckt Vilèm Flusser Kant und den Neokantianismus. Er beschreibt diese Entdeckung als entscheidende Wende. Der Vortrag fragt, inwiefern ein philosophiegeschichtlicher Diskurs, der zunächst denkbar weit entfernt von existentiellen Fragestellungen argumentiert, in einer Situation der Krise produktiv werden kann für ein Philosophieren in der Bodenlosigkeit. Dieses Philosophieren in der Bodenlosigkeit entwickelt medientheoretische Ansätze, die das Verhältnis von Denken, Fühlen und medialem Handeln modulieren.
18.00
Florian Rötzer: Utopie des Spiels oder das Leben als Spiel
Die Wirklichkeit oder das Leben sind vielleicht kein Spiel, aber beides lässt sich als Spiel betrachten, das die Menschen mitspielen müssen, wobei sie sich als Virtuosen, Zocker, Verlierer oder Verweigerer positionieren müssen. Vermutlich ist das Zurücktreten aus der vermeintlichen Wirklichkeit und das Verständnis von Welt und Leben als Spiel unter bestimmten Regeln der Ursprung der menschlichen Kultur, die Realität selbst nur das Produkt des Wissenschaftsspiels. Zudem haben Spiele nicht wegen ihrer angeblichen Zweck- und Folgenlosigkeit oder einer wie auch immer begründeten Realitätsferne etwas von einer politischen Utopie an sich. Sie sind sogar der Vorschein der Utopie einer Gesellschaftsordnung, die im Unterschied zu den stets vorhandenen sozialen und biologischen Ungleichheiten von der Chancengleichheit der Akteure ausgeht und Korruption durch Befolgen der vorher vereinbarten und anerkannten Regeln verhindert. Spiele realisieren eine anfänglich gerechte Welt. Die Akteure nehmen freiwillig an dieser Welt teil und sie nehmen die Verantwortung für sich in die Hand, indem sie sich für Züge und Spieleinsätze entscheiden und damit die Zukunft herstellen.
19:30
Stephen Kovats: Ausblicke auf die transmediale 2011 und den Vilém Flusser Theory Award
20.00
Podiumsdiskussion mit
Claudia Becker – Claus Pias – Nils Röller – Florian Rötzer – Siegfried Zielinski
Außerdem
Im Foyer der Aula: Objektpräsentation von Archivalien
Die Vortragenden
Claus Pias ist Professor für “Erkenntnistheorie und Philosophie der digitalen Medien” an der Universität Wien und derzeit Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin. Zuletzt sind von ihm erschienen: “PowerPoint. Macht und Einfluß eines Präsentationsprogramms” (mit Wolfgang Coy), Frankfurt 2009; “Abwehr: Modelle, Strategien, Medien”, Bielefeld 2009; “Think Tanks. Die Beratung der Gesellschaft” (mit T. Brandstetter und S. Vehlken), Zürich 2010.
Nils Röller ist Professor für Medien- und Kulturtheorie an der Zürcher Hochschule der Künste, dort auch im Leitungsteam der Vertiefung Mediale Künste. Nach dem Studium der Philosophie in Berlin war er Mitarbeiter an der Kunsthochschule für Medien Köln, wo er mit Siegfried Zielinski das Festival „Digitale“ von 1995-99 leitete. Er baute das Flusser-Archiv auf und war Mitherausgeber von Lab – Jahrbuch für Künste und Apparate war. Seit 2006 ist er Herausgeber des Journals für Kunst, Sex und Mathematik (gemeinsam mit Barbara Ellmerer und Yves Netzhamme(www.journalfuerkunstsexundmathematik.ch). Gegenwärtig forscht er zum Verhältnis von Instrument, Medialität und Wirklichkeit. Im Juni 2010 erscheint dazu: Magnetismus – Eine Geschichte der Orientierung. München: Fink, 2010.
Florian Rötzer hat nach dem Studium der Philosophie als freier Autor und Publizist mit dem Schwerpunkt Medientheorie und -ästhetik in München gearbeitet. Seit 1996 ist er Chefredakteur des Online-Magazins Telepolis (www.telepolis.de) und Herausgeber der Telepolis-Buchreihe. Zu seinen Veröffentlichungen zählen »TerrorMedienKrieg« (Hg., mit G. Palm), Heidelberg 2002.; »Medien der Gewalt« (Hg.), Heidelberg 2002; »Renaissance der Utopie« (Hg. mit R. Maresch), Frankfurt a.M. 2004; »Vom Wildwerden der Städte«, Basel 2006.

Das wird sicher ein spannender Nachmittag in der UdK. (Etwas merkwürdig nur, dass die Veranstaltung einen englischen Titel trägt, aber nur deutschsprachige Vorträge gehalten werden.)

Mehr auf der Seite des Flusser Archivs.

  • Sechste Einstein Lecture Dahlem – Prof. Martin Kemp: Spatial Visualisation in Art and Science
  • Veranstaltung: Boris Groys über “Medium / Religion: Video Philosophie”
  • Sommergespräche mit Michel Serres, Lorenz Engell, Alexander Kluge

Filed Under: Berlin, Flusser, Kultur, Kulturgeschichte, Medien, Mediengeschichte, Medientheorie, Moderne