Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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Deine Schreibschrift, meine Schreibschrift und die Druckbuchstaben

12. August 2007 by leitmedium

“unser Schreibzeug arbeitet mit an unseren Gedanken“, so wurde hier schon einmal Nietzsche zitiert und als Schreibzeug mag man wohl auch die Schreibschrift verstehen. Nicht nur unter diesem Gesichtspunkt erscheint es spannend, sich einmal die verschiedenen Schreibstile der letzten Jahrzehnte anzusehen.

Da ist zum Beispiel die um 1972 eingeführte recht simplen Vereinfachte Ausgangsschrift, die sicher manchem bekannt vorkommt, aber ein überraschend geformtes “z” bereithält. Man erkennt das Anliegen, eine Schrift zu entwickeln, die flüssig geschrieben werden kann, ohne absetzen zu müssen:

Vereinfachte Ausgangsschrift
(Quelle: Wikipedia, Lizenz: CC, Urheber: Smial)

Zwei Jahrzehnte älter ist die Lateinische Ausgangsschrift und das sieht man ihr an: “h”, “s” und “x” wirken deutlich antiquiert, während das “z” moderner wirkt als in der neueren Vereinfachten Ausgangsschrift. Dennoch handelt es sich bei beiden Ausgangsschriften um vergleichsweise junge Schriften mit dem Fokus auf Schreibbarkeit.


Lateinische Ausgangsschrift
(Quelle: Wikipedia, Urheber: Pio-m)

Nun könnte man dieses Spiel historisch weiter rückwärts gehend fortführen und zum Beispiel die Deutsche Kurrentschrift wie auch die nahezu unbenutzte Offenbacher Schrift als schöne, wenn auch komplizierte Exemplare des 18. bis 20. Jahrhunderts zeigen, jedoch zeigt sich ein ganz anderes Moment bei der Recherche, das hier noch kurz verhandelt werden soll: Die unterbrochene Schreibschrift.

Wenn unser Schreibzeug mitschreibt an unseren Gedanken, macht es wohl einen Unterschied, ob die Hand im Schreibfluss ungestört Buchstaben in einer Linie zu Worten verbindet, oder nach jedem Buchstaben als diskretes Element absetzen muss. Und genau das scheint, man korrigiere mich, in der Schweiz auch heute noch recht üblich zu sein. So verfügt man mit der Schnüerlischrift zwar über eine kursive Schrift, diese sei durch ihre überdimensionierten Buchstaben aber wohl schwer in einem Zug ohne Absetzen zu schreiben und so greift man kurzerhand immer wieder auf die Steinschrift zurück, die eine schnörkerlose aber eben unverbundene Steinschrift oder gar nur Großbuchstaben verwenden. Ein Land weiter und schon schreibt man derart anders – was man wohl diesem Unterschied in der Schreibweise zuschreiben kann? Immerhin ist dies vergleichbar mit einem manuellen Maschineschreiben. Aus urheberrechtlichen Gründen kann ich hier leider Bild der Steinschrift einbinden, jedoch auf dieses Beispiel verweisen. In der Schweiz arbeitet man übrigens an dem Problem: Der Schweizer Typograph Hans Eduard Meier hat erst kürzlich eine neue Schulschrift vorgeschlagen, die wohl bereits in einigen Schulen getestet wird.

Nach der Lektüre stellt man wohl fest, dass die eigene Handschrift eine Mischform aus all diesen Schriften ist und darf ein wenig lächeln über folgenden Ausrutscher in der Wikipedia:


(Quelle: Wikipedia, Urheber: Prince Kassad)
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