In dieser Woche war ein Schulfest. Da gab es einen Quizstand für die größeren Kinder. Unser jüngstes Kind (9) wollte mitmachen und ein bisschen schummeln und kam immer wieder zu mir, um mich zu bitten, „schnell bei ChatGPT“ nachfragen zu können. Zum Beispiel, ob die Legislative der USA im Weißen Haus oder im Capitol sitze (wer weiß das schon so genau zurzeit?), welche der genannten Sportarten es nicht gebe und was dies oder jenes Fremdwort bedeute.
Mich beschäftigte die Situation irgendwie, und wir sprachen später noch einmal darüber. Ich habe mein Kind gefragt, warum es explizit nach ChatGPT gefragt habe. Die Erklärung war, dass der Lehrer bei einer Frage vorher mit den Kindern die Lösung mit Google und ChatGPT „gesucht“ habe – und nur ChatGPT sie richtig gewusst hätte.
Es ist eine kleine Anekdote, aber es steckt doch viel drin. Es war mir wichtig, noch einmal zu erklären, was eine Suche mit einer Suchmaschine eigentlich ist – und dass Google nicht unbedingt Antworten liefert. Es sei denn, sie versuchen es gerade unbeholfen mit ihren aufgenötigten „KI“-Antworten (die man übrigens auf verschiedene Weisen umgehen kann). Aber es war auch wichtig, noch einmal darüber zu sprechen, dass ChatGPT keine „Wissensdatenbank“ ist und halluzinieren kann, weil es nur Sprache zusammenstellt, die nach möglicher Sprache klingt. Das Kind war irritiert davon. Es erinnerte sich aus Geschichten, was Halluzinationen seien, und war sichtlich befremdet von dem Gedanken, dass ChatGPT nicht einfach die allwissende Müllhalde sei, wie wir früher das Internet allgemein oder Wikipedia in Anlehnung an Die Fraggles nannten. Aber es verstand, worum es geht – und warum es keine gute Idee ist, jegliche Fragen an eine Text-„KI“ zu delegieren.
Wir konnten das jetzt klären. Aber sonst wird das wohl nicht geklärt. Das macht mich nicht besonders glücklich. Im Gespräch mit den größeren Kindern stellte sich heraus, dass zum Beispiel in einem Fach der Lehrer die Fragen der Kinder durch Live-Fragen an die Google-„KI“ beantwortet. Als sie wissen wollten, was nun eigentlich genau eine „Beschreibung“ sei – ob mit oder ohne Stichpunkten –, gab der Lehrer die Frage in Google ein und zoomte die „KI“-Antwort kommentarlos auf dem Whiteboard groß. Das war die Antwort. In einem Unterricht. Zweiter Datenpunkt.
Es sind nur kleine Anekdoten, und man sollte sie nicht verallgemeinern – aber es drängt sich der Verdacht auf, dass es bei allem Klagen über Kinder, die Text-„KIs“ nutzen, an Schulen oft an pädagogischen Konzepten und Vorbildern fehlt, um dieses Thema einzuordnen und medienpädagogisch vorzuleben. Wenn die Unterrichtsfragen an potentiell halluzinierende Textgeneratoren delegiert werden, statt entweder eine Netzrecherche zu üben oder einfach ehrlich zu sagen, dass man etwas nicht wisse, aber zum nächsten Mal eine Antwort habe – was genau wird Kindern dann eigentlich vorgeführt?
Ich habe in den letzten Jahren nun schon mehrfach kurze Medienunterrichtseinheiten an den Schulen der Kinder zu computer-nahen Themen gemacht. Zu LLMs habe ich gerade erst begonnen, eine kleine Einheit zu entwickeln, in der Kinder spielerisch das Lernen eines LLM nachspielen, um zu verstehen, wie diese auf der Basis von Zahlen dann Texte generieren, die gut klingen, aber keine Bedeutung in der Maschine erzeugen. Aber selbst wenn ich jemals die Gelegenheit habe, mit ein paar Kindern so eine Einheit zu besprechen – es ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Irgendetwas läuft da gerade extrem schief. Und ich merke auch an den verschiedenen Altersstufen meiner Kinder, wie unterschiedlich sie mit dem Thema Text-„KI“ umgehen: Während es für die älteren Kinder etwas Neues ist und sie noch das Netz ohne Textgeneratoren kennen, ist es für das jüngste Kind schon Alltag – und befremdlich, wenn man davon noch einmal einen Schritt zurücktritt und mit Abstand draufblickt.
Es ist wichtig, diese Skepsis mit Ruhe und Geduld zu vermitteln. Und es scheint auch wichtig, auf Schulen zuzugehen – und nicht nur das übliche Gespräch über das „Schummeln“ zu suchen, das Kindern gern vorgeworfen wird. Sondern auch das Gespräch über den erwachsenen Umgang mit Technologien, die den Alltag angeblich so viel einfacher machen – aber dann vielleicht doch langfristig die Schule gar nicht mehr Schule sein lassen. Ein Textfeld bedienen können die Kinder auch zu Hause.
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