Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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Links vom 30.03.2015 – Boulevard versus Angehörige, Ready Player One, Elektronischer Holocaust

30. März 2015 by ccm

Medien versus Schüler und Angehörige

Mika Baumeister (@MB4umi) ist Schüler am Joseph-König-Gymnasium in Haltern am See. Beim Absturz von Germanwings-Flug 9525 kamen vierzehn Schülerinnen, zwei Schüler und zwei Lehrerinnen der Schule ums Leben. Mika beschreibt aus Sicht eines Person, die beide Lehrerinnen sowie einige der SchülerInnen kannte, wie die Boulevard-Presse Stadt und Schule belagert und Grenzen überschreitet: Umgang der Medien mit Schülern und Angehörigen in Haltern. Er schließt übrigens mit einem überraschenden Hinweis auf öffentlich-rechtliche Medien:

Liebe Pressevertreter: Erinnern sie sich an die Versprechen, die einst bei der Entgegennahme des Presseausweises gegeben wurden. Zeigen sie, dass sie noch Scham und Mitgefühl empfinden. Versuchen sie nicht, das exklusivste Bildmaterial zu bekommen, koste es was es wolle.

Liebe Konsumenten von Bild, Bunte und Co.: Vermeiden sie, die reißerischen Neuigkeiten zu lesen. Seriöse Portale bieten bessere Infos, hetzen weniger und sind generell objektiver. Sie finanzieren als LeserInnen im Prinzip die Journalisten, die letzten Endes bei den Angehörigen vor der Haustüre stehen. Vielleicht ist die Zwangsabgabe an ARD, ZDF und die Dritten gar nicht so verkehrt.

An dieser Stelle passt auch noch einmal der Hinweis auf diesen Blog-Post, indem es um das Wechselspiel von Boulevard und Angehörigen geht.

Steven Spielberg verfilmt „Ready Player One“

In der deutschen Wired geht es um die Verfilmung des Retro-Gaming-Romans “Ready Player One” durch Steven Spielberg. Ich habe “Ready Player One” als Hörbuch gern gehört. Das Buch ist voll von 80er- und Retro-Gaming-Referenzen. In der englischen Version liest es Will Wheaton, der selbst eine Rolle im Roman hat. Es gibt zum Roman selbst jedoch auch kritische Stimmen. Mit Lucie Höhler (@autofocus) habe ich in meinem Podcast Leitmotiv über das Buch gesprochen. Sie hat zurecht bemängelt, dass der Autor es verpasst hat, Frauen eine moderne Rolle zu geben. Der Roman ergeht sich weitestgehend in Gender-Stereotypen. Schade. Ob Steven Spielberg einer Verfilmung gut tut, steht ebenso in den Film-Sternen. Ich werde mit den Film sicher ansehen, bin aber verhalten skeptisch.

Anonymous vows ‘Electronic Holocaust’ against Israel

Eine Anonymous-Gruppe droht Israel einen “Elektronischen Holocaust” an:

A video released this week by the Anonymous hacker collective vowed to inflict an “Electronic Holocaust” on Israel.

The video shows a masked individual in a suit delivering a prepared statement, in which he announces April 7 as the date of a concerted attack on Israel’s online servers. “As we did many times, we will take down your servers, government websites, Israeli military websites, and Israeli institutions,” he said.

“We will erase you from cyberspace in our Electronic Holocaust.”

Es stellt sich wieder die Frage, inwiefern “Anonymous” als Kollektiv kritisiert werden kann. Sobald “ach… Anonymous…” angeführt wird, kommt als Gegenargument, dass es sich ja um Kollektiv handle, bei dem jede_r Mitglied werden könne. Das ist richtig. Nur stellt sich dann die Frage, ob man unter diesem Label mit anderen assoziiert werden möchte. Damit ist ein “ach… Anonymous…” vielleicht weniger Kritik an Menschen, die Israel einen Holocaust androhen, als vielmehr an Menschen, die das ebenso widerlich finden, und das Label trotzdem nutzen.

 

Filed Under: Allgemein

Comments

  1. ähm says

    30. März 2015 at 23:40

    Auf deinen letzten Punkt würde ich gerne eingehen:
    In wieweit kann man nicht-feste Gruppen/Bewegungen für einzelne Gruppen/Personen/Internetauftritte verantwortlich machen die laut selbstbezeichnung dazugehören?

    Für wie lange ist für dich das Label Anonymus für dich nun verbrannt? Wodurch kann man ein Label reinwaschen? Wer muss da was tun?

    Ein anderes Beispiel:
    Wie lange ist das Label “Feminismus” wegen diesem unsäglichen Emma-Artikel genau verbannt?
    Müssen sich alle Feminist_innen die Frage stellen ob sie unter diesem Label mit anderen assoziiert werden möchten?
    Ich habe jetzt bei kleinerdrei o.Ä. keine Distanzierung gesehen. Muss ich also von einer zustimmmung Ausgehen oder bin ich verpflichtet allen Autor_innen bei twitter zu folgen um das mitzubekommen?

    Hat ja keiner gesagt das Problem wäre einfach. Ich hab keine befriedigende Lösung parat.

  2. ccm says

    31. März 2015 at 9:29

    Danke für Deine Fragen. Sie zeigen ganz gut, worum es in meiner Kritik geht. Zunächst: Meine Anonymous-Kritik ist keine neue Erfindung. Andere Personen, die der Hacker-Szene viel näher stehen als ich, kritisieren mit deutlicheren Worten, zum Beispiel:

    https://twitter.com/timpritlove/status/582500826461114368
    https://twitter.com/herrurbach/status/582517919839588352

    Aber kehren wir zum Beispiel Feminismus zurück: Der Vergleich passt nicht, da der Begriff zu groß gewählt ist. Ich könnte vielleicht “Feminismus” und “Hacker-Szene” vergleichen. Besser wäre zum Beispiel der Vergleich “Femen” und “Anonymous”. Und dieser zeigt: Die Kritik ist da. Es wird sich von Femen distanziert aus anderen feministischen Bewegungen. So wie sich nun auch von Anonymous distanziert wird.

    Zur Frage der Distanzierung: Feminismus ist ein zu großer Oberbegriff, als dass sich jede Strömung bei jeder Aktion von einer anderen distanzieren müsste. Anonymous als Kollektiv wiederum tritt trotz der Dezentralität nach außen unter einem Namen mit einheitlichem Aussehen auf. Das ist für mich ein klares Signal gegenseitiger Unterstützung. Wenn in diesem Rahmen eine Distanzierung nicht stattfindet oder nicht stattfinden kann, ist das Label für mich “verbrannt”. Ich hielte es PR-technisch für sinnvoller, Aktionen unter anderen Labels zu organisieren.

  3. ähm says

    31. März 2015 at 15:35

    Das Label “Anonymous” wird ausschließlich aus PR-Gründen verwendet, weil es einen Wiederernennungswert hat. (Aus diesem Grund hat man es ja auch hier verwendet. Alternativ geht es ausschließlich um die Diskreditierung des Labels)
    Die mediale Aufmerksamkeit die mit dem Hack selbst kommt ist (inzwischen) immer Teil des Aktion. Das Label jedesmal zu wechseln und neu zu etablieren ist nicht unbedingt hilfreich.
    So ein Video zur einfachen Diskreditierung kann aber prinzipiell jeder mit genügend Engagement machen.

    Das ist ein prinzipielles Problem teil- oder vollständig Anonymer Gruppen (Alternativ: Gruppen die keinen Wert auf persönliche Profilierung legen).
    Das ist für dich als Gegner von Anonymisierung aber vermutlich kein größeres Problem..

    • ccm says

      31. März 2015 at 15:41

      Es ist richtig, dass das ein sturkturelles Problem anonymer Kollektive ist.

      Ich bin übrigens kein Gegner von Anonymisierung. Ich fordere jedoch die Möglichkeit vor allem für Privatpersonen, sich vor Anonymität schützen zu können. Kritiker von Anonymisierung trifft es eher – aber nicht im Sinne einer völligen Ablehnung.

      • K. says

        2. April 2015 at 8:56

        Spannender Punkt. Und führt sicherlich zu ähnlich komplexen Debatten wie beim Begriff “Kollektivschuld”.

        Distanzierst du als “Kritiker von Anonymisierung” dich eigentlich von den Kritiker_innen aus den Reihen der Geheimdienste und Polizeien, oder gibt es da doch mehr Gemeinsamkeiten?

        • ccm says

          2. April 2015 at 9:05

          Ich bin der Meinung, dass Geheimdienste abgeschafft werden müssen.

          Zur Strafverfolgung kann ich nicht viel sagen. Ich kenne mich mit dem Thema rechtlich nicht hinreichend aus, sehe aber prinzipiell den Punkt, dass natürlich darüber diskutiert werden kann, welche Freiheiten und Risiken Technologie bringt. Ich bin nicht überzeugt vom Dauer-Argument “Aber der chinesische Dissident!”, der sowieso von der Wikipedia per Tor ausgesperrt wird. Ich wünsche mir, da komme ich wieder zum Anfang, ein Netz, in dem Anonymität und Nicht-Anonymität möglich ist und ich als Nutzer eben entscheiden kann, nicht anonym kontaktiert werden zu können. Die Tools dafür gibt es teilweise, sie sind nur für Nicht-TechnikerInnen zu schwer zu bedienen.