Leitmedium

Es gibt kein analoges Leben im digitalen.

Caspar C. Mierau arbeitet als technischer Berater und denkt als Medienwissenschaftler, der zur Computergeschichte promoviert, über die Geschichte und Gegenwart von Technologie nach. Er schreibt und podcastet an der Schnittstelle von Praxis und Theorie, Technik und Kultur. Notiert kurze Gedanken auf Mastodon. Hat "Leitmedium" ganz offiziell als Künstlername im Ausweis stehen.

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Kurz notiert: (leider unkritisches) Interview mit »Hackers«-Autor Steven Levy

27. November 2014 by ccm

Vor dreißig Jahren erschien das Buch »Hackers« von Steven Levy. Bis heute wird der Klassiker aufgelegt. Levy hatte schon früh die Ursprünge der Hacker-Kultur am Tech Model Railroad Club (MIT) ausgemacht und ein gutes Gespür für die sich entwickelnde Hacker-Szene. Besonders nachhaltig war die von Levy formulierte »Hacker-Ethik«:

  1. Der Zugang zu Computern soll grenzenlos und total sein.
  2. Alle Informationen sollen frei sein.
  3. Autorität sollte misstraut werden, Dezentralisierung ist zu bevorzugen.
  4. Hacker sollten nur nach ihrer Fähigkeit zu hacken beurteilt werden, nicht nach Kriterien wie Rasse, Klasse, Alter, oder Stellung.
  5. Computer können benutzt werden, um Kunst und Schönheit zu schaffen.
  6. Computer können Dein Leben zum Besseren wenden.

In der taz wird Levy nun drei Jahrzente später zu seinem Buch und der Ethik interviewt. Hier gibt aus heutiger Sicht einige interessante Fragestellungen. Was das Interview jedoch verpasst, ist statt nur zu fragen, ob Anonymous sich denn an die Hacker-Ethik halte, die Hacker-Ethik an sich noch einmal diskutiert werden sollte.

Persönlich habe ich große Schwierigkeiten mit Punkt 4 – Hacker sollen nach ihrer Fähigkeit beurteilt werden. Das klingt zunächst inklusiv und überzeugend, da es sich explizit zum Beispiel gegen Rassismus wendet (schade, dass das Geschlecht als nicht zu beachtendes Kriterium nicht auch aufgeführt wurde). In der vom deutschen Chaos Computer Club angepassten Version heißt der Punkt im Wortlaut:

  • Beurteile einen Hacker nach dem, was er tut, und nicht nach üblichen Kriterien wie Aussehen, Alter, Herkunft, Spezies, Geschlecht oder gesellschaftliche Stellung.

Hier sind es schon nicht mehr die Fähigkeiten, sondern die Taten, an denen man gemessen werden soll (dafür wurde erfreulicherweise auch das Geschlecht extra aufgeführt). Beide Formulierungen haben trotz ihres inklusiven Habitus gemein, dass sie stark exkludierend sind. Sie betonen, dass Menschen nach dem Erreichten zu beurteilen sind. Dass es eine Verbindung bzw. Abgrenzung zur protestantischen Arbeitsmoral gibt, hat bereits Pekka Himanen in »The Hacker Ethic and the Spirit of the Information Age« ausgearbeitet. Dabei versuchte Himanen nachzuweisen, dass Hacker sich eben dieser Arbeitsmoral entziehen, weil sie aus sich selbst heraus arbeiten. Zugleich zeigt die Hacker-Ethik jedoch mit ihren hoch gehaltenen Regeln, dass es durchaus eine Instanz gibt, die Leistungen einfordert, um überhaupt dazugehören zu können.

Ich halte es für notwendig, die Hacker-Ethik inklusiver gegenüber Interessierten zu öffnen. Bewerte Menschen nicht danach, was sie tun, sondern danach, wofür sie sich interessieren. Und sei auch hier vorsichtig, denn es gibt kein per se besseres und schlechteres Interesse. Dass die Hacker-Ethik prinzipiell ein Update braucht, hat Jürgen Geuter auf der SIGINT 2012 bereits herausgerarbeitet (Artikel dazu auf ZEIT Online und heise.de).

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