Blechhochzeit: Ein Tagebucheintrag.
23:50 Beim Schlafengehen erinnerten wir uns daran, wie wir vor acht Jahren im unbeschreiblichen Hotelzimmer in Venedig waren, während draußen die Fensterläden klapperten. Sie meinte, ich hatte da geschnarcht. Ich antworte, das könne gar nicht sein. Ich schnarche ja wohl nie, sonst würde ich das hören.
6:05. Ich wache vor dem Wecker auf. Die Familie schläft noch. Auf beiden Seiten von mir. Ich stehle mich aus dem Bett, schnappe mir mein iPhone und gucke kurz in die weite Welt. Gestern Abend haben wir uns nochmal versichert, dass wir uns nichts schenken.
6:10 Ich heize den Ofen vor, wie jeden Morgen und wähle selbst gebackene Brötchen aus dem Tiefkühlfach aus. Jeder hier hat seine eigene Präferenz. Bloß nichts falsch machen, sonst ist der Tag gelaufen.
6:15 Es rumpelt in der Wohnung. Der Rest ist aufgestanden. Ich erwische @fraumierau im Bad und flüstere „Auguri Auguri!“. Das hat man uns damals zugerufen, als wir nach der Hochzeit unverkennbar frisch verheiratet durch Venedig liefen. Sie lächelt mich verschlafen an. Sie lächelt.
6:30 Ich trietze alle freundlich, sich etwas zu beeilen. Wie jeden Morgen. Zwischendurch erkämpfe ich mir drei Minuten im Bad.
6:35 Ich recherchiere eilig, wie man eine Rose aus einer Serviette bastelt. Sie wird ein wenig verknorkelt, aber es ist eine Rose.
6:42. Es gibt Frühstück. Warme Brötchen, frisch aufgebrühter Tee, Cappuccino. Alles wie immer. Auf ihrem Teller liegt die Rose, mir hat sie ein Paar aus selbst gebackenen Plätzchen hingelegt. Es sind ganz kleine Gesten, aber warm fühlen sie sich an.
6:50 Der Sohn bricht in Tränen aus, weil es auch eine Rose haben will. Sie bietet an, ihre zu teilen und legt sie in die Mitte. Die Situation beruhigt sich. Ich erzähle den Kindern, wie wir vor acht Jahren uns gerade für die Hochzeit anzogen und … Der Sohn bricht erneut in Tränen aus, weil es auch einen Keks will. Ich gebe einen ab. Ich muss die Geschichte nicht erzählen. Sie ist auch so da.
7:15 Ich scheuche alle ins Bad und ziehe mich im Wohnzimmer um. Ein paar Minuten Ruhe. Ihr Kleid steht imposant neben mir. Letztens wirkte es komisch, als es neben Drei Haselnüssen für Aschenbrödel stand.
7:34 Sie arrangiert Rose und Plätzchen zu einem Instagram-Post, die kleine Kitschnudel.
7:35 Ich eile mit der Tochter zur Schule. Es fühlt sich gut draußen an. Es ist nicht zu kalt. Wie damals.
11:05 Ich bin mit einem Termin fertig und frage kurz „Alles gut bei Dir?“ per Chat. Es ist gut, dass jemand da ist. Einfach so. Immer.
11:20 Sie berichtet stolz von ihrem tollen Business-Vormittag. Es ist gerade etwas knifflig mit der Zeit alles und sie schwangert so vor sich hin. Ich bin froh, wenn sie etwas von ihren Vorhaben schafft.
13:43 Nach dem Business-Lunch gehe ich Blumen kaufen. Rosa. Ein bisschen kitschig bin ich ja auch.
15:03 Was wir abends machen, fragt sie. Puh. Mit den Kindern essen gehen? Klingt anstrengend im Moment. Vielleicht lieber die Kinder früh ins Bett bringen und abends mal nicht bloggen und gleich netflixen? Der Sohn hat mittags lang geschlafen, sagt sie. Er wird nicht früh einschlafen. So ist das nunmal. Also doch essen gehen? Ach, nein. Die Vorstellung gemeinsam auf der Couch zu sitzen ist überwältigend angenehm gerade.
16:31 Sollte ich ihr noch Pralinen mitbringen? Sie hatte welche zu Nikolaus und eigentlich wollte ich ihr welche zu Weihnachten schenken. Warum nur haben wir so nah an Weihnachten geheiratet? Damals war der Himmel so strahlend blau. Es war schön.
17:24 Heute fahre ich früher nach Hause. Ich will ihr endlich die Blumen geben.
18:15 Zu Hause. Sie ist etwas fertig mit den Nerven. Leichte Stresswehen. Die Kinder drehen etwas am Rad.
18:27 Schnell die Abendsuppe essen, Zähne putzen, mit der Tochter eine Seite lesen üben.
19:15 Im Bett lese ich den Kindern Pu der Bär vor (große Liebe).
19:25 Die Tochter schläft ein.
19:35 Der Sohn natürlich nicht.
19:45 Immernoch nicht.
19:55 Ich werfe das Handtuch und stehe mit ihm auf. Wir gucken erst Elmo mit Norah Jones und dann Diana Krall.
20:05 Burger bestellen. Yeah.
20:10 Er schläft langsam auf mir ein.
20:30 Partytime.
20:35 Puh, bin ich müde.
Ich erfahre, dass der 8. Hochzeitstag die Blecherne Hochzeit oder eben Blechhochzeit ist. Wie ein Auto klingt das. Das passt doch. Das siebte Jahr ist vorbei. Die Ehe ein Auto. Oft ein gut funktionierender Kleinbus, der einsammelt, abliefert und viele Menschen aufnehmen kann. Manchmal ein Cabriot, aufregend, aber irgendwie gehen die Anschallgurte nicht? Und wenn es sein muss, ist es ein gepanzertes Fahrzeug, wie zum Beispiel letztes Jahr, als wir uns wehren mussten gegen Angriffe auf die Familie. Blech klingt nicht romantisch, aber es bietet Schutz. Und das fühlt sich zu hausig an.
@leitmedium ❤️❤️
@leitmedium @fraumierau hach <3
@leitmedium “Ich muss die Geschichte nicht erzählen. Sie ist auch so da.” Hach. <3