Es ist kein Geheimnis, dass ich gern in Cafés gehe. Auch wenn ich ein paar Lieblingsplätze habe, probiere ich gern neue Orte aus. Eine Perle war ein kleines Café in Berlin Neukölln, dass vor ein paar Monaten eröffnete und vor ein paar Wochen wieder schloss. Ich genoss dort Mittags hausgemachte Suppen und trank gern mit FreundInnen vietnamesischen Kaffee. Als ich das letzte mal dort war, ergab sich folgendes Gespräch, dass sich mir sehr eingeprägt hat:
Ich: Gibt es keine Suppe?
Sie: Schon ein paar Wochen nicht mehr. Hast Du schon die Neuigkeiten gehört?
Ich: (meinen vietnamesischen Kaffee umrührend…) Nein.
Sie: Ich schließe das Café.
Ich: Ach! Wann denn?
Sie: Ende der Woche.
Ich: Oh. Schön, dass ich nochmal da war. Warum schließt Du denn?
Sie: Es klappt einfach nicht. Es ist sehr viel Arbeit, die ich allein nicht schaffen kann. Ich bräuchte noch eine zweite Person, aber ich kann schlecht inserieren „Suche Mitarbeiter für Café – Arbeit vorerst unbezahlt.”
Ich: Hast Du denn das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben?
Sie: Ich habe den Aufwand unterschätzt. Aber es sind auch einfach zu wenig Gäste. Du bist der Erste heute. Ich hätte mehr Werbung machen müssen. Leider kann ich wegen Denkmalschutz an der Außenwand nichts anbringen . Dadurch sieht man das Café kaum – und das mit den Flyern hat sich nicht rechtzeitig ergeben.
Ich: Und was machst Du jetzt?
Sie: Ich gehe in meinen Job zurück. Ich bin eigentlich Lehrerin. Ich habe mir ein Jahr Sabbatical genommen und dieses Café aufgemacht.
Ich: Das finde ich toll. Ich finde gut, dass Du das gemacht hast und ich finde gut, dass Du das Café rechtzeitig schließt.
Sie: Was? Du bist der Erste, der das sagt. Viele meinten „Nein … Du musst durchhalten!“
Ich: Ich arbeite in Start-ups. Dort gibt es das typische Motto „fail fast“. Es heißt verkürzt: Probiere Dinge aus, aber entscheide rechtzeitig, dass sie nicht funktionieren. Halte nicht an Strategien fest, nur, weil Du sie beschlossen hast.
Sie: Oh, wow. Ja – genau.
Ich: Und jetzt gehst Du offenbar rechtzeitig ohne ernsthaften finanziellen Schadenin Deinen Job zurück .
Sie: Ja. Ich freue mich sogar, wieder als Lehrerin zu arbeiten. Was ich vorher als belastend empfand, gibt mir jetzt Sicherheit.
Ich: Das ist schön. Und Du hast etwas gemacht, was viele sich vornehmen und einfach nie tun: Ein Café aufgemacht! Du wirst Dir nie die Frage stellen „Warum habe ich damals nicht alles hingeschmissen und ein Café aufgemacht?“ Du hast es ausprobiert und jetzt weißt Du, dass es doch nicht so war, wie erhofft.
Sie: Danke. Ja. Danke, dass Du das sagst.
Ich: Ich habe mal einen Text gelesen. Es ging darum, dass viele sich wünschen, ein Café aufzumachen. Aber sie verwechseln den Wunsch, in einem Café zu sitzen mit stressigen Realität, eines zu betreiben.
Sie: (kichert) Ja. Das habe ich auch gelernt. Nun freue ich mich drauf, in Cafés zu sitzen, während ich Hausarbeiten kontrolliere.
Das war es. Ich war von dem Gespräch berührt. Es ist ja nicht so, dass ich mir nicht auch ein wenig wünsche, ein Café aufzumachen. Ich werde mir zumindest sagen müssen: Du hast es nicht probiert.
Was für ein schöner Artikel! Mein Freund hat ihn mir gerade geschickt. Ich habe Ende 2012 meine Selbstständigkeit als Modedesignerin und Damenschneiderin aufgegeben (inklusive ‘Traumatelier’ etc.) und will heute (endlich) meine Websites löschen. Aber, es war die beste Entscheidung meines Lebens und ich kann alles was du geschrieben hast nur unterstreichen. Aber ich habe auch fast 2 Jahre gebraucht um endlich (wieder) stolz sein zu können auf das, was ich damals geschafft habe.
Alles Gute!
Schöner kleiner Artikel. Ich teile Deine Ansicht 100%. Schade ist es trotzdem. LG, Seb